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Everything’s coming to an end – Skins Season 6 Part 5

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Die Emotionen schlugen hoch im letzten Resümee, das ich über Alos und Livs Episoden zog. Wir haben die Verzweiflung gespürt, die mit Einsamkeit und Überforderung kommt. Gleichzeitig fiel es allen sehr schwer, wieder aufeinander zuzugehen. Die Fronten sind verhärtet; zu viel Wichtiges ist niemals ausgesprochen worden. »I went a little farther, then still a little farther – till I had gone so far that I don’t know how I’ll ever get back.« Eine Besserung ist vorerst nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil soll sich der Konflikt so kurz vor dem Finale noch weiter zuspitzen. Ein Happy Ending ist in weite Ferne gerückt, aber hätten wir von Skins auch etwas anderes erwartet?

Mini und Franky haben schon im vergangenen Jahr eine sehr intime Beziehung an der Grenze zur Homoerotik aufgebaut. Man erinnere sich beispielsweise an den sehr feinfühlingen Moment im Finale der letzten Staffel, als Mini Franky beim Anziehen ihres Kleides half und mit verführerischem Blick bemerkte: »You look amazing.« Mittlerweile gibt es ein Geheimnis, das die beiden zusätzlich zusammenschweißt: Minerva hat noch immer keinem ihrer Freunde von ihrer Schwangerschaft erzählt und selbst Franky durfte nur dank ihrer Hartnäckigkeit davon erfahren. Doch die traute Zweisamkeit wird durch Matty gestört, der schlussendlich doch noch die Rückkehr aus dem marokkanischen Exil geschaft hat und nun eine Erklärung von seiner ehemaligen Freundin einfordert.

Die Situation eskaliert, als Mini auf dem Weg zu einer Routineuntersuchung zusammbricht und von Franky, die durch die Diskussion mit Matty abgelenkt ist, völlig vergessen wird. Im Warteraum des Krankenhauses prallen die verfeindeten Gruppen aufeinander: Nick ist schockiert, seinen Bruder auf diese Weise wiederzusehen und fragt sich, warum er von seiner Rückkehr nichts mitbekommen hat. Alo nützt das Chaos aus und schlüpft unbemerkt ins Behandlungszimmer, wo sich der Ultraschall-Monitor und Minis runder Babybauch blitzschnell zu einem Gesamtbild zusammenfügen. Aus Alos Sicht ist das Gesamtbild offenbar nicht positiv. An dieser Stelle möchte ich einmal zum Ausdruck bringen, dass ich das medial vermittelte Bild der werdenden Väter, die über die Schwangerschaft ihrer Freundinnen völlig entsetzt sind, in keiner Weise nachvollziehen kann. Alo reagiert jedenfalls auf die abscheulichste Weise überhaupt. »She’s just ruined my fucking life!« Natürlich spielt auch eine Rolle, dass ausgerechnet er als Vater als letzter von seinem Kind erfährt. Auf die Idee, dass Minis Zögern auch Ausdruck ihrer Angst vor einer genau solchen Reaktion sein könnte, kommt er aber nicht.

Plötzlich ist Mini der einsamste Mensch der Welt. Gerade, als sie ihre ersten Muttergefühle entwickelt, weil sie erfährt, dass sie bald ein Mädchen auf die Welt bringen wird, erklärt ihr ihre Mutter, dass sie das Baby zur Adoption freigeben müsse. Als sie am emotionalen Tiefpunkt angelangt ist, kommt Franky wieder auf sie zu und bringt sie dazu, vor allen Problemen davonzulaufen. Dass Frankys Beweggründe nicht aufrichtig sind, wird schon deutlich, als sie das Foto zeigt, auf dem sie mit ihrer biologischen Mutter zu sehen ist und daraus schließt, dass Mini mit ihrem Baby davonlaufen muss, um nicht die Fehler ihrer persönlichen Kindheit zu wiederholen. Dass das Leben auf der Straße gerade für eine werdende Mutter reiner Horror ist, erkennen die beiden, als sie völlig mittellos im strömenden Regen stehen und nicht wissen, wo sie die nächste Nacht verbringen sollen. Und dass Franky eigentlich nur ihr eigenes Versagen korrigieren möchte, zeigt sich, als sie skrupellos Alos Anruf sabotiert und vor dem Schlafengehen murmelt: »This baby – it’s like she wipes everything clean. Maybe I can put it alright again.«

Diese Einstellung treibt Mini letztendlich doch wieder zurück in die offenen Arme ihrer Eltern. Auch diese haben dazugelernt und ihre Mutter respektiert inzwischen die Entscheidung ihrer Tochter, das Kind behalten zu wollen. Einzig Franky ist unglücklich mit der neuen Situation. Sie wollte Nick nicht den Liebesbeweis erbringen, seinen Bruder für ihn zu verraten. Nun hat sie jeglichen Halt verloren.

Aloysius ist sich mit Unterstützung von Rich wieder seiner wahren Gefühle bewusst geworden und versucht Mini mit allen Mitteln zurückzugewinnen. Als er ihr die Scheune zeigt, die er zum Wohnraum umfunktioniert hat und sie erkennt, dass er es wirklich erst meint, küssen sich die beiden zum allerersten Mal. MC Hammer begleitet den anschließenden Freudentanz. Doch ganz wie das echte Leben schlägt Skins wieder einmal gnadenlos zu. Den Protagonisten wird kein Fünkchen Freude gegönnt, ohne sie in gleichem Maße zu strafen. Welche Strafe könnte größer sein als das Blut, dass Mini in ihrem Schoß entdeckt? Man darf sich nicht ausdenken, wie vernichtend ein Ende der Serie in diesem Moment wäre. Die Staffel befindet sich in genau dieser Sekunde auf ihrem Höhepunkt und es wäre nicht das erste Mal, wenn die Autoren den Handlungsfaden an dieser Stelle brutal abschneiden würden.

Doch glücklicherweise läuft diemal alles anders. Das Finale ist für die von der Serie selbst gesetzten Maßstäbe sogar ganz ungewöhnlich schmalzig. Aber nicht, dass wir uns darüber beschweren wollten. Vorerst stehen wir sowieso wieder ganz am Anfang: Franky flüchtet vor ihrem für sie unerträglichen Alltag. Sie merkt nicht, dass das eigentliche Problem in ihr selbst steckt, dass sie endlich anfangen muss, ihren Dämonen entgegenzutreten. Stattdessen versucht sie, ihre eigene Vergangenheit neu aufzurollen. Dabei ist sie sogar ungewöhnlich erfolgreich, bis sie auf Cara stößt, die sich als ihre leibliche Schwester zu erkennen gibt. Es ist nicht zu übersehen, dass auch Cara in ihrer Kindheit tief verletzt wurde und sich durch die Aussage, ihre Mutter sei tot, vor der Auffrischung dieser Erinnerungen schützen möchte.

Frustriert und mit Nick und Matty als härtnackige Verfolger im Nacken ist Bristol der letzte Ort, an dem Franky jetzt sein möchte. Trotzdem landet sie durch Zufall im gleichen Krankenhaus wie Mini. Ihre Verzweiflung war so groß, dass sie es riskierte, sich aus einem fahrenden Truck zu werfen. Die, die zusammengehören, sind wieder vereint. »The moment I met you, I knew you’d be trouble.« Franky kommt jedoch nicht umhin, sich ihren beiden Ex-Freunden zu stellen. In Wahrheit möchte sie keinen von beiden. Doch die Brüder erkennen mit dieser Konfrontation, dass sie durch ein Mädchen so sehr gespalten wurden, wie sie es sich nie hätten ausmalen können. Die Versöhnung der beiden gibt Matty genug Kraft, um endlich den einzig richtigen Schritt zu tun und sich der Polizei zu übergeben.

So reif ist Olivia noch lange nicht. Sie packt die Zukunftsangst, als sie feststellt, dass sie sich in Kürze ganz allein durchs leben schlagen wird müssen. Diese Angst kennen nur diejenigen, die noch nie alles aufgegeben haben und fortgezogen sind. Vielleicht ist es überheblich, sie für diese Sorgen zu belächeln. Aber sie läuft in jedem Fall Gefahr, das Wesentliche zu übersehen und es sich mit ihren Freunden zu verderben. Franky zu vergeben ist sie nach wie vor nicht bereit. Doch schließlich findet sie wieder mit ihrer ehemals besten Freundin zusammen und begleitet sie in den Wehen. Ganz zum Schluss lehrt sie Alex, dass es nicht darauf ankommt, wie weit Freunde voneinander getrennt sind, solange sie geistig vereint sind.

Rich hat seine Trauer von allen am besten bewältigt. Er ist gar bereit, aufgeschlossen auf den von allen geächteten Matty zuzugehen. Dinge passieren und niemand hat das Recht, über andere Menschen zu urteilen. Stattdessen packt er das Leben von der positiven Seite und blickt wieder zuversichtlich in die Zukunft. Wir wollen mittanzen, als er sich über seine Zulassung in Cambridge freut. Wir freuen uns mit ihm, als er Grace einen Unterwasser-Kuss gibt. Sie wird immer bei ihm sein.

Auch Skins wird uns immer begleiten. Diesen Teil unserer Jugend kann uns niemand mehr nehmen. Keine andere Serie hat mit so gutem Gespür dokumentiert, was es bedeutet, erwachsen zu werden. Wir haben zu eurer Musik gefeiert und uns heimlich gewünscht, unsere Partys könnten auch so episch sein wie die euren. Wir sind gerannt, als ihr es tatet, und mussten uns heimlich eingestehen, dass wir niemals so viel Ausdauer haben würden wie ihr sie habt. Wir haben euch am Boden liegen sehen, als unserer Leben eigentlich gerade ganz gut lief, und trotzdem heimlich ein wenig geweint. Eure Authentizität würden wir dennoch niemals infragestellen. Denn was ist denn bitte die Phantasie eines Teenagers, wenn nicht vollkommen größenwahnsinnig? Unterhalten wurden wir jedenfalls außerordentlich gut. Dafür sind wir sehr dankbar.

Und irgendwann kommt dann das unvermeidliche Ende. Franky begegenet ihrer Mutter und ist ihrer inneren Ruhe hoffentlich ein gutes Stück näher gekommen. Mini presst ein wohlbehaltenes Kind zwischen ihren Schenkeln hervor und freut sich darauf, zusammen mit Alo Eltern zu werden. Freundschaften wurden gekittet, so gut es die Kürze der Zeit erlaubte. Die Geschichte ist noch nicht zu Ende erzählt, aber das wird sie nie sein. Jetzt liegt es an Richard, uns Lebewohl zu wünschen. Mehr hätten wir uns gar nicht wünschen können.

Dies ist der letzte Teil einer fünfteiligen Serie über zeitgenössische Fernsehkultur, eine verlorene Generation und bissige Bemerkungen: »Have you turned into a thirteen year old girl or just fucked one, Alo?«
Florian Lehmuth
28. Mai 2012
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