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Serienwahn: Community

© NBC

College-Serien sind öde. Das liegt nicht daran, dass man den Erlebnissen heranwachsender Jugendlicher jemals überdrüssig werden könnte. Unterhaltung sollte schließlich immer auch jenseits der anvisierten Altersgruppe funktionieren. Nein, unerträglich werden die meisten amerikanischen College- und High-School-Serien dadurch, dass sie einem ein Gesellschaftsbild ins Gesicht klatschen, das direkt dem nächsten Disney-Film entnommen sein könnte. Jungen sind Footballspieler, Mädchen Cheerleader. Die Schülerschaft gliedert sich in ein rigides Kastensystem aus Konformisten und Außenseitern, Arm und Reich, Bullies und Nerds. Die Meilensteine einer Schullaufbahn bestehen aus Proms und Wahlen zur Homecoming-Queen.

Community ist grundverschieden, urkomisch nämlich, detailreich ausgearbeitet und weitaus intelligenter als die Durchschnittskomödie. Das liegt zum einen daran, dass als titelgebender Schauplatz ein Community College dient, die Fachhochschule unter den US-amerikanischen Bildungseinrichtungen. Hier treffen Menschen mit gebrochenen Biografien aufeinander, die gelernt haben, ihre neue Schule und ihren Werdegang mit einer gehörigen Portion Ironie zu betrachten. Heraus kommt eine weitgehend erwachsene Serie mit weitgehend erwachsenen Charakteren. Ihr Titel steht aber nicht nur für das Greendale Community College, sondern auch für die Lerngemeinschaft, die im Zentrum der Geschichte steht.

Das sieht zu Beginn noch etwas anders aus. Jeff Winger war erfolgreicher Anwalt, bis bekannt wurde, dass er seine Zulassung als Rechtsbeistand dreist erschlichen hat. Nun sieht er sich gezwungen, seinen Abschluss auf legalem Wege nachzuholen. In diesem Moment besteht die Gefahr, dass die Handlung darin abgleiten könnte, wie Jeff sich erfolgreich durchs Leben mogelt und reihenweise Frauen verführt. Doch glücklicherweise ist gleich sein erstes Opfer so hartnäckig, dass er zur Annäherung eine fingierte Spanisch-Lerngruppe ins Leben ruft, in der die sieben Protagonisten erstmals aufeinandertreffen. Denn auch wenn Jeff immer wieder die Rolle des Vaters zuteilwird, der die Gruppe zusammenhält, ist Community durch und durch ein Ensemblestück.

Das Herzstück der Serie bilden ihre bunte Besetzung und die liebevoll gezeichneten Figuren. Da ist zum Beispiel Alison Brie, bekannt als Trudy aus Mad Men, die die strebsame, aber überaus liebenswerte Annie gibt. Chevy Chase, TV-Urgestein, brilliert als homophober alter Kauz, den man aber dennoch irgendwie mögen muss. Jim Rash, seit kurzem Oscar-Preisträger, mimt den pansexuellen Dekan, der nicht nur wegen seiner Liebe zu kunstvollen Verkleidungen die schillerndste Figur auf dem Campus bildet. Donald Glover spielt den jungen, athletischen Ex-Quarterback Troy, arbeitet im echten Leben aber auch noch als Drehbuchautor, Comedian, und baut sich unter dem Namen Childish Gambino eine zweite Karriere als Rapper auf.

Troys bester Freund auf der Leinwand ist Abed Nadir, beeindruckend dargestellt von Danny Pudi. Abed ist wahrscheinlich der am liebevollsten konzipierte Charakter und verkörpert neben der hervorragenden Autoren- und Schauspielleistung den dritten Grund, warum diese Serie sehenswert ist. Abed bewegt sich nämlich stets auf einer Meta-Ebene, und mit ihm die ganze Show. Abed lebt so sehr in der Welt des Fernsehens, dass sich seine Kommilitonen durchaus zu Recht die Frage stellen: »You understand that TV and life are different, right?« So hagelt es also geradezu Anspielungen auf Filme und Serien, Witze über Schauspieler und Spielereien mit den etablierten Erzählmethoden.

Community hält der amerikanischen Fernsehlandschaft einen Spiegel vor und lässt keine Gelegenheit aus, um sich über die Marotten der eigenen Sippe lustig zu machen. So schleicht sich Abed verkleidet als The Cape aus der gleichnamigen Serie in die Cafeteria, wo Jeff allein zu Mittag isst. Er fegt mit seinem Umhang dessen Tablet vom Tisch und stiehlt sich dann rasch davon. Jeff ruft: »The show’s going to last three weeks!« Daraufhin Abed: »Six seasons and a movie!« Der Ausspruch selbst wird fortan zu einer Art Markenzeichen von Community. Eine andere Episode stellt den Klassiker My Dinner with Andre nach, bevor der Abend mit einer Party in Kostümen aus Pulp Fiction endet. Auch die BBC-Kult-Serie Doctor Who erhält einen eigenen Auftritt als Inspector Spacetime, das Cougar Town als Abeds neue Lieblingsserie ersetzen wird.

Konsequenterweise macht die subtile Kritik auch vor der eigenen Produktion nicht halt. Die Lerngruppe, die natürlich längst zu einer Gruppe enger Freunde geworden ist, gerät in eine Krise, als Annie aus einem verschwundenen Stift ein Prinzip machen möchte und sich weigert, irgendjemanden gehen zu lassen, bevor ihr Schreibutensil wieder aufgetaucht ist. Langsam zeichnet sich ab, dass auf der Suche nach dem Stift der ganze Raum auf den Kopf gestellt werden wird, und Abed bemerkt skeptisch:»This is starting to feel like a bottle episode.« Was ihn nicht gerade begeistert. »I hate bottle episodes. They’re wall to wall facial expressions and emotional nuance. I might as well sit in the corner with a bucket on my head.«

Das Budget, das mit solchen Folgen eingespart wird, steckt dann wiederum in anderen Episoden, die fast ausschließlich aus Montageszenen bestehen. Denn der Begriff Montage, so lautet jedenfalls ein betagter Witz unter Filmemachern, ist das französische Wort für einen gesprengten Haushalt. Community verliert sich mit Hingabe in Details, trumpft auf mit Sonderepisoden zu Weihnachten und Halloween sowie ausufernden Paintballschlachten, die rituell einmal pro Semester zelebriert werden. Eine Folge wurde komplett in Claymation umgesetzt, das Finale der dritten Staffel als Konsolenspiel im Stile der 8-Bit-Ära. Jede Episode endet mit einer dreißigsekündigen Sequenz, die von der eigentlichen Handlung losgelöst ist und den Unsinn des Studentenlebens rühmt.

Die Feuerrate an Witzen ist hoch, aber dennoch wirkt die Serie immer originell und unverkrampft. An vielen Stellen ist die Handlung so herrlich absurd, dass sie die Zuschauer in die seltsamsten Szenen lockt, ohne sie auch nur einen Funken unplausibel erscheinen zu lassen. Etwa als der Dekan beschließt, einen neuen Werbefilm für sein College aufzunehmen und sich selbst zum Regisseur macht. Abed wittert, dass die Dreharbeiten am Perfektionismus des Dekans scheitern könnten und beginnt seinerseits, eine Dokumentation über den Dreh anzufertigen. »Ever seen Hearts of Darkness? Way better than Apocalypse Now!« Am Ende wird der Dekan wahnsinnig, entledigt sich seiner gesamten Kleidung, bildet daraus einen Haufen, steckt ihn mit seinem Diplom in Brand und reibt anschließend seinen gesamten Körper mit der Asche ein.

Bei den Fans kommt diese Art von Humor richtig gut an. Von ihrem Auftraggeber NBC wurde die Serie aber immer stiefmütterlich behandelt, was wahrscheinlich daran liegt, dass altmodische Zuschauer-Ratings moderne Nutzungsgewohnheiten noch nicht in Betracht ziehen. Mehrfach stand die Show kurz vor ihrem Aus und konnte nur dadurch gerettet werden, dass ein wütender Mob vor den Sender zog und die Anhänger sich online unter dem Hashtag #sixseasonsandamovie organisierten. Die vierte Staffel steht bereit, doch die Premiere wurde vom ursprünglich geplanten 19. Oktober in unbestimmte Zukunft verschoben. Auch der Vertrag des Serienschöpfers Dan Harmon wurde nach Season 3 nicht mehr verlängert. Es wäre zu schade, dieses kleine Meisterwerk gehen zu sehen, das Intelligenz und Komik auf völlig neue Weise kombiniert – etwas, was man wahrscheinlich in den USA zuletzt suchen würde.

Florian Lehmuth
24. Oktober 2012
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