Proudly made on earth

When did it all get so fucking hard? – Skins Season 5

Aloysius Creevey ist verzweifelt. Völlig am Boden zerstört. Er trägt sein Hab und Gut in einem Beutel auf dem Rücken mit sich herum und sucht einfach nur einen Platz zum Schlafen. Als Mini, die Freundin eines Freundes, endlich auf seine Gefühlslage aufmerksam wird und er ihr sein Leid klagt, fällt ihr keine bessere Antwort ein als “well, that’s what happens!”. Eine Paradebeispiel dafür, wie aus etwas Großartigem nicht einmal mehr Gutes wird. Anderes Beispiel: Nick hat erkannt, dass ihm seine ganze Lebensgrundlage, Werte und Interessen zwischen den Fingern zerrinnen. Er greift sich einen Golfschläger aus dem Repertoire seines Vaters und schreitet zur Tat. Danach liegt die Küche in Scherben. Eine fantastische Szene, doch es fehlt – der passende Soundtrack.

Die dritte Generation des Skins-Casts erzeugt ein gigantisches Vakuum an schauspielerischer Leistung. Tatsächlich dachte ich schon bei der letzten Staffel, es könne nicht mehr schlimmer kommen. Weit gefehlt. Die Situation hat sich nämlich geändert: Die Drehbuchautoren sind nicht besser, dafür aber die Darsteller schlechter geworden. Deshalb wird nun an allen Enden versucht, die allgemein sinkende Qualität durch überraschende Wendungen im Plot auszugleichen, was natürlich nur schiefgehen kann. Ob beim Ausruf “They’re brothers!” oder angesichts der wundersamen Verwicklungen David Bloods, der Zuschauer wird Zeuge der schleichenden Demontage eines Meisterwerks. Das sind natürlich dreiste Pauschalisierungen, Dakota Blue Richards liefert als androgyne Franky Fitzgerald gute Arbeit ab, wird aber im Ganzen zu sehr vernachlässigt. Wehmütig denkt man also zurück an Jack O’Connell, Kaya Scodelario, Joe Dempsie oder Nicholas Hoult himself und plötzlich erscheint einem auch Season 4 gar nicht mehr so übel.

Ein anderes Phänomen: Die Autoren scheinen Freude daran zu haben, die Charaktere völlig zu überzeichnen und sich nach und nach an diversen Stereotypen abzuarbeiten. Metalhead, Ballettpüppchen, Bauerssohn – wer um alles in der Welt kam auf die Idee, zu abgegriffenen Klischees zu greifen, nachdem die differenzierte Darstellung von homosexuellen Charakteren oder Menschen mit Migrationshintergrund doch bisher so gut funktioniert hat? Entweder die angestrebte Zielgruppe wird immer jünger und bewegt sich munter auf den lauen Mainstream zu oder ich werde einfach alt und komisch, jedenfalls wird man das Gefühl nicht los, dass mit Skins vor allen Dingen eine massentaugliche Marke kreiert werden soll, die sich dann gut vermarkten lässt. Die Eltern-Kind-Beziehung spielt erstmals eine größere Rolle, nachdem die früheren Figuren eigentlich schon ziemlich emanzipiert und erwachsen auftraten. Dass die Gruppendynamik innerhalb der “Gang” abnimmt, ließ sich auch schon letztes Jahr beobachten, wird aber durch ständig wechselnde Schauplätze (man erinnere sich an das Hause Stonem oder Freddie’s Shed als Gegenbeispiele) zusätzlich begünstigt. Die zu hohen Drehkosten geschuldete, mittlerweile wohl endgültig festgesetzte Begrenzung auf acht Folgen pro Staffel ist nicht weniger als tragisch. Ein oder zwei zusätzliche Episoden wären dringend nötig, damit sich eine tiefgreifendere Handlung entwickeln könnte.

So ist auch der Blick in die Zukunft eher ernüchternd: Es mag keine rechte Freude bei mir aufkommen, wenn ich daran denke, dass ich die gleiche Besetzung auch im nächsten Frühjahr noch ertragen muss, selbst wenn die Geschichten dann hoffentlich etwas mehr unter die Oberfläche gehen. Völlig unbegreiflich ist auch der Verkauf der Drehbücher für Season 1 an MTV USA, die dieses in sich geschlossene Kunstwerk jetzt mit gänzlich ungeeigntetem Personal fast eins zu eins nachstellen. Meine größte Hoffnung für die nächste Zeit ist immer noch die anscheinend endlich bestätigte Kinoproduktion, bei der auf Spielfilmlänge sowohl ein ansprechender Plot als auch mit der zweiten Generation in den Hauptrollen großartige Schauspieler zusammenkämen. Die Wartefrist verbringen wir dann eben weiterhin mit Breaking Bad oder anderen hochgelobten Serien am Horizont: Mad Men, The Wire, Californication … es gibt noch viel zu entdecken!

Florian Lehmuth
20. März 2011
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