Proudly made on earth

Aphorismos #2

Zion National Park The Narrows

Abstraktion Man darf ein theoretisches Axiom nur so weit vor sich stellen, wie man einen Felsen in einem reißenden Gebirgsbach werfen kann. Dann muss man versuchen, mit einem Schritt auf diesem Felsen zu landen. Wenn das nicht klappt, wird man mit den Armen und Beinen rudern und ums Überleben kämpfen, und wenn dann der nächstbeste Felsen in Sicht kommt, wird man sich zwangsläufig daran festklammern. Egal, welche Form er hat.

Ameisen Es hilft mir, meine weltlichen Sorgen und Bestrebungen in regelmäßigen Abständen zu relativieren. Zum Beispiel mit der Vorstellung, eines Tages würden gigantische Aliens von einem hyperentwickelten Riesenplaneten auf der Erde landen. Wir müssten wie Ameisen für sie aussehen. Klar, einige davon wuseln etwas schneller, andere etwas langsamer. Doch letztendlich kann sich keine von uns aus ihrem Chitinpanzer befreien. Bis wir das mit den Aliens allerdings nicht genau wissen, könnte es ja ganz hilfreich sein, von der unbestrittenen Übermacht der Menschheit auszugehen.

Aphorismos Eine Sammlung von Aphorismen. Aphorismen, sage ich euch: Ich versuche jetzt eigentlich nur noch, mit jedem Satz ein noch größeres Kuchenstück Welt zu erwischen.

Aphorismus Eine kondensierte Form von Gedankengut, die sich im Gehirn der Rezipierenden in mehrere Richtungen ausdehnen kann.

Antrieb Die Freiheit, keinen Zwängen zu unterliegen – vielleicht ist sie eine Lüge. Warum stehen wir morgens auf, auch wenn wir wissen, dass uns bestimmt nichts Angenehmes erwarten wird? Wahrscheinlich nur in der Hoffnung, wenigstens am Tag danach ein paar Stunden länger liegenbleiben zu können. Und seien wir ehrlich: Wenn es überhaupt keinen Zwang geben würde, gäbe es doch auch keinen Grund, den tröstenden Zufluchtsort des Bettes jemals zu verlassen. Wir würden uns Tage und Nächte in süßen Träumen verlieren, bis wir nicht mehr zwischen Realität und Fiktion unterscheiden könnten.

Dilematta Das Kondensat der internationalen Innenpolitiken ist in diesen Zeiten ja fast immer: Sicherheit gegen Freiheit. Ich muss nicht überlegen, um zu wissen, welches Konzept mich mehr anspricht. Sicherheit, das heißt, jeden Tag zur selben Stunde aufstehen, immer zwischen den gleichen fünf Mahlzeiten zu wählen und sich auch sonst tunlichst vor Denkanstrenungen oder Gefühlsregungen aller Art zu hüten. Freiheit ist für mich dagegen, sich von den Sinnen leiten zu lassen; mit offenen Augen durch die Welt zu ziehen, genau hinzuhören und sich in alle Dinge so fein wie möglich hineinzufühlen und hineinzudenken. Die Fronten prallen stets bei denselben Themen aufeinander: Terrorismus zum Beispiel (wer terrorisiert eigentlich wen?) Sicherheitspolitik nennen unsere Repräsentantinnen das dann, von einer Freiheitspolitik habe ich dagegen jenseits der US-amerikanischen Propagandamaschinerie noch nicht gehört. Aber bietet nicht letztere Denkweise die viel besseren Lösungen? So ist doch etwa die Sicherheit vor tätlichen Angriffen längst inbegriffen in der Freiheit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Nur sind Freiheiten eben viel näher an unser aller Lebenswirklichkeit als von außen auferlegte Zwänge.

Empathie und Intelligenz sind ja eigentlich dasselbe. Aber Empathie ist wichtiger. Intelligenz bestimmt, wie lange man braucht, um etwas herauszufinden. Empathie bestimmt, ob man es überhaupt herausfinden wird.

Euphorie Ihr könnt beinahe davon ausgehen, dass diese Art von Artikel nur dann erscheint, wenn mich wieder einmal die euphorische Seite meines emotionalen Spektrums gepackt hat. Dann verwandelt sich mein Gehirn in eine rasende Ideenfabrik, ich kann kaum schlafen und habe ständigen Bewegungsdrang. Die Alternative dazu ist, lethargisch, apathisch und depressiv Woche um Woche im Bett zu verbringen. Beides ist nicht optimal. Nicht umsonst nennt man Menschen, die ihr Leben im Griff haben, gerne auch ausgeglichen. So eine Psyche stelle ich mir sehr gemütlich vor. Aber auch ein bisschen langweilig.

Frida Vierzehn Jahre nachdem die NSA die allgemeingültige Glücksfördernde Dreißigstundenwoche eingeführt hatte, kamen ihr erste Zweifel am System.

Größenwahn Ich würde gerne eine Denkweise prägen, die ich rationaler Größenwahn nennen möchte. Man versucht einfach, alle wirren Ideen auch aus den tiefsten Gehirnwindungen umzusetzen und stellt sich dabei schon auf die Konsequenzen ein, falls es nicht klappen sollte. Beispiel. Der Größenwahn sagt: Spring doch mal ohne Fallschirm von einem Hochhaus. Die Vernunft sagt: Du wirst sterben, also lass es lieber. Zweites Beispiel. Größenwahn: Schreib doch mal einen nachdenklich-ironischen Blogpost. Vernunft: In der Tat, die negativen Folgen dieser Aktion sind überschaubar. Wenn dann letztendlich auch nur fünf Prozent dieser Pläne erfolgreich verlaufen, ist die Chance trotzdem ganz schön hoch, dass ich in meinem Leben mehr erreiche als ein Durchschnittsmensch – aber lasst euch nicht unter Druck setzen.

Höchstleistung Eigentlich fühlte ich mich immer wohl mit dem Gedanken, dass ich mein Potenzial nicht ausreizte. Da war kein Druck. Aber eben auch kein Potenzial.

Kunst ist der Schrei von der anderen Seite: »Hättest du es doch auch mal versucht!« Dieser Ausfruf ist aber immer auch Einladung. An uns alle. Wir sollten einfach mehr machen.

Psychoterror Dieses wunderbare Gefühl der Ungewissheit am Anfang einer neuen Sache und wie leicht es verlorengeht, wenn man schon Erwartungen mitbringt.

Revolutionen Eigentlich lenkt uns die technologische Revolution nur davon ab, die wirklich wichtigen Probleme zu lösen. Das ist wie mit den Kommilitoninnen, die vor einer Hausarbeit erst einmal Fenster putzen. Natürlich, ein wenig mehr Licht kann sicher nicht schaden. Aber in erster Linie gilt es doch, die großen Dinge anzupacken. Wir sind die Generation, die simultan mit fünf Personen über fünf verschiedene Kommunikationskanäle in Verbindung bleiben kann. Wir sind aber auch die Generation, die vergessen hat, die Welt zu retten: Jetzt, wo sie es so nötig hat wie nie zuvor.

Sinn Ist doch ganz einfach: Aufhören, sich von Zweifeln verrückt machen zu lassen und sich entlang vieler kleiner Freuden Stück für Stück zum großen Glück vorhangeln. #Kitsch

Unterschiede Ich habe noch nie einen Menschen getroffen, mit dem ich mich über alle meine Hirngespinste unterhalten konnte. Jemanden, die mit allen Aspekten meiner Persönlichkeit etwas anzufangen wusste. Aber ich glaube auch nicht, dass ich einer solchen Person in diesem Leben noch begegnen werde. Seien wir doch ehrlich: Das Aufeinandertreffen zweier Menschen mit völlig deckungsgleicher Biografie wäre höchstwahrscheinlich äußerst langweilig. Es sind doch Unterschiede, die uns einzigartig machen, und das Spannungsfeld aus Verstandenwerden und Nichtverstandenwerden, das sozialen Beziehungen ihren Gehalt verleiht.

Zäune Es ernüchtert mich ein wenig, wie aktuell der Kampf von Mensch gegen Natur noch immer ist. Der Mensch stellt einen Zaun auf und erklärt damit seine Absicht, ein Stück Land vollkommen unter seine Kontrolle zu bringen. Was er nicht bedenkt, ist sein stummes Eingeständnis, dass der restliche Globus damit vollständig außerhalb seiner Reichweite liegt.

Zwänge Was manche nie lernen: Man kann anderen Menschen nichts aufzwingen. Und wenn man es versucht, wird man nur selbst unglücklich dabei.

Florian Lehmuth
5. Mai 2014
Kategorien:
Schlagworte:

Keine Kommentare

Was sagst du?