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CD-Review: 21st Century Breakdown (Green Day)

Kaum melden sich drei alte Punks aus Kalifornien nach fünf Jahren endlich mit einem grandiosen neuen Album zurück, schon hagelt es von allen Seiten Kritik. »Green Day ist kein Punk mehr«, »Green Day sind zu sehr Mainstream«, »Das sind doch nur noch Kommerzpunks«, »Die Songs auf dem neuen Album sind viel zu ruhig, früher, zu “Dookie”-Zeiten, war alles besser …« Wisst ihr was: Kein Mensch zwingt euch, diese Musik zu hören, aber wenn ihr es doch tut, dann hört wenigstens auf zu nörgeln.

Für mich ist “21st Century Breakdown” eines der besten Alben, das die Jungs je veröffentlicht haben. Natürlich liebe ich “Dookie” auch. 1994 waren Billie Joe und seine Kollegen Anfang zwanzig, sie sangen unreife Liebeslieder und beschrieben perfekt das Gefühl, wie es ist, planlos mit seinen Kumpels abzuhängen und zu kiffen. Zehn Jahre später lieferten sie genau zur richtigen Zeit das richtige Album ab: In “American Idiot” wetterten sie gegen die Bush-Regierung, den Irakkrieg und alles, was sie sonst noch störte an Politik und Gesellschaft und wurden so zum Sprachrohr einer Bewegung.

Natürlich war es allen klar, dass es sehr schwierig sein würde, an diesen Erfolg anzuknüpfen. Auch wenn es lange gedauert hat, ich denke, mit “21st Century Breakdown” ist das gelungen. Ich verstehe nicht, warum alle von einem gigantischen Stilbruch sprechen. Das Album knüpft fast nahtlos an seinen Vorgänger an, sowohl musikalisch als auch inhaltlich. Wieder handelt es sich um ein Punk Rock-Oper, aufgeteilt in drei Akte. Die beiden Hauptpersonen, Gloria und Christian, erzählen, wie es ist, zu Beginn des neuen Jahrtausends in einer hoffnungslosen Umgebung und einer von Krieg, Profitstreben und Fehlglauben geprägten Welt aufzuwachsen. Es ist ganz logisch, dass die Songs nicht mehr so politisch wie früher sind: Bush, der Feind, ist verschwunden, jetzt gilt es, eine neue, bessere Gesellschaft aufzubauen und jeder muss bei sich selbst anfangen, Veränderungen herbeizuführen.

Wenn ich bei Warner auf Entscheidungsebene sitzen würde, hätte ich nicht unbedingt “Know Your Enemy” als erste Single ausgewählt. Dachte ich zumindest früher. Doch so ein Lied gehört einfach auch zu Green Day, der eingängige Refrain reißt sofort mit und das Gitarrensolo treibt das ganze auf die Spitze. Das Album enthält aber noch viel mehr Perlen: Gleich danach folgt “¡Viva La Gloria!”, eine Hymne an Christians Freundin, eine mutige Kämpferin und engagierte Aktivistin. “Before The Lobotomy” gehört für mich zu den heimlichen Highlights der Platte; allgemein etabliert sich im Aufbau der Songs immer mehr die Variante, von sanfter Ballade zu schnellem Gitarrenrock zu wechseln. Gloria singt: »Singing, I can hear them singing / when the rain had washed away / all these scattered dreams.«

Ein Stück weiter folgt “East Jesus Nowhere”, in dem Billie Joe religiösen Fanatismus verurteilt: »A fire burns today / of blasphemy and genocide / the sirens of decay / will infliltrate the faith fanatics.« Auch auf “21st Century Breakdown” gibt es wieder zwei besonders lange Lieder, nämlich den Titeltrack und “American Eulogy”, das aus den beiden Teilen “Mass Hysteria” und “Modern World” besteht. Mit ihren wechselnden Melodien, den harten Brüchen und sich immer wiederholenden Parolen ähneln die beiden Songs sehr stark “Jesus Of Suburbia” und “Homecoming”, die auf “American Idiot” jeweils über neun Minuten einnahmen. Unbedingt erwähnenswert sind noch meine beiden Lieblinge “Last Of The American Girls” mit seiner fröhlichen, verspielten Melodie und dem fast ironisch anmutenden Text und “Restless Heart Syndrom”, ein sehr tiefgründiges Lied, in dem Billie Joe über eine Krankheit berichtet, für die es kein Heilmittel gibt. Am Ende bäumt sich der Song regelrecht auf und er schreit: »I’m elated / medicated / I am my own worst enemy / so what ails you is what impales you / you are your own worst enemy / you’re a victim of the system.«

Richtig schade, dass ich jetzt nicht auch noch auf die ganzen anderen genialen Nummern eingehen kann, zum Beispiel “21 Guns”, “Murder City”, “The Static Age”, um nur einige zu nennen. Man merkt: In der Platte steckt enorm viel Potenzial! Weil ihr offenbar bis zum Schluss durchgehalten habt, dürft ihr euch noch dieses Live-Video ansehen, das im Uptown Club in Oakland aufgenommen worden ist.

Florian Lehmuth
24. Mai 2009
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