Proudly made on earth

Alles wird besser oder: Bloggen im Jahr 2012

Es war so ein Gefühl, das mich langsam überkam, vor einigen Monaten schon. Es trat in Schüben auf, unberechenbar, und ließ sich nicht recht greifen. Ein leichter Anflug von Unbehagen, als fühlte ich mich nicht mehr recht wohl in der eigenen Haut. »Ein Gedanke ist wie ein Virus, resistent, hochansteckend, und die kleinste Saat eines Gedanken kann wachsen. Er kann dich aufbauen oder zerstören.« Der Gedanke: Wieder einmal Zeit für ein Redesign.

Seien wir einmal ehrlich: floffimedia hatte noch nie ein Logo, das man als solches bezeichnen konnte. Viel eher einen ideenlosen Schriftzug in ChunkFive. Dem Font werde ich gerne treubleiben, aber die visuelle Marke wird verschönert und prägnanter werden müssen. Dann der Header: Seine enorme Breite ist hauptsächlich der allgemeinen Seitenbreite von 955 Pixeln geschuldet, die sich an dem nach wie vor De-Facto-Standard von 1024 Pixeln orientiert. Warum aber kam ich nie auf die Idee, die Inhalte in zwei Spalten aufzuteilen, gerade des unerträglich langgezogenen Twitclagg-Feldes wegen?

Im Content-Bereich stoßen die überdimensionierten Uppercase-Überschriften auf, die so völlig unharmonisch auf den kaum lesbaren Fließtext treffen. Ich könnte das auf die Eigenschaften von Arial bzw. Helvetica (schimpft mich Windows-Nutzer) schieben, aber natürlich liegt die Schuld bei mir: Für einen Moment können die großen, serifenlosen Majuskeln unglaublich anziehend wirken, aber leider sieht man sich so schnell daran satt. Auf der anderen Seite verliert die Groteske im Fließtext ab einer bestimmten Größe einfach ihren Reiz. Die Mischung mit einer Serifen-Schrift müsste wieder her. Willkommen zurück, Georgia! Auf menschenfreundlich implementierte und gerenderte Webfonts stelle ich mich für die nächste oder übernächste Dekade ein, gleich nach der Fertigstellung von HTML6.

Die Sidebar als grob fahrlässige Platzverschwendung dürfte eigentlich gerne in den Footer wandern oder gleich ganz verschwinden. Bleibt eine Artikelbreite von 600 bis 855 Pixeln, die ich wegen der Bildgrößen nicht so einfach aufgeben kann (der einzige Kompromiss wäre, die alte Breite nur für die alten Posts beizubehalten – ich habe es gern einheitlich). Trifft sich gut, dass Marcel erst kürzlich mit der brillanten Idee aufwartete, die Seite mit der Bildkante abzuschließen. Obendrein hat er schon vor längerer Zeit bewiesen, dass der Text zu Gunsten des Leseflusses gerne schmaler sein darf als die Fotos.

So weit die äußerliche Bestandsaufnahme. Ich machte mich also vor zwei Tagen daran, diese Beobachtungen Schritt für Schritt in ein PSD zu gießen. Das erste Mal, dass ich vor Beginn der eigentlichen Arbeit eine digitale Vorlage erstellen wollte, das erste Mal, dass mein Blog ein wirklich durchdachtes Design erhalten sollte. Ich hielt auf allen Seiten Ausschau nach Inspiration. Das Menü könnte ich eigentlich von Mr. Mooky klauen, die verspielte Eleganz vom Stadtpiraten. Ein wenig Minimalismus vom Mmminimal-WordPress-Theme. Die Kombination von schmalen Graden in Verdana auf der Indexseite und großen Graden in Georgia auf der Artikelansicht vom stilvollen neuen Auftritt der FAZ. Ein wenig nahm mir der sich konstant neu erfindende Madbury Club die Angst vor den Konsequenzen eines Redesigns. Wenn wir schon dabei sind, wäre die Umsetzung des Progressive-Enhancement-Prinzips auch nicht schlecht. Stellenweise ein wenig HTML5 und CSS3 kann nicht schaden. Ach ja, und habe ich schon erwähnt, dass das neue Template selbstverständlich responsiv werden soll? Schuld daran ist Martin, der von diesem Thema nicht mehr ablassen will.

Es ist ja nicht so, als ob ich mit der Umsetzung dieses Vorhabens nicht schon mehrere Tage beschäftigt gewesen wäre, es schlichen sich neue Zweifel hinzu. Hat sich deine Liebe zu WordPress nicht in letzter Zeit merklich abgekühlt? Hast du nicht längst den Eindruck, im Sinne der Reduktion ginge es bei WordPress nicht mehr darum, so viel wegzulassen wie möglich, sondern um die Frage, überhaupt noch etwas stehen zu lassen?

Als ich mit dem Bloggen anfing, hätte nie jemand den Einsatz einer Datenbank infragegestellt. Es hätte auch nie jemand infragegestellt, dass man, sobald man sich einmal WordPress installiert, für den Rest seines Lebens damit glücklich wird. Niemand außer … naja, Fefe vielleicht, aber – ihr wisst schon. Mittlerweile bin ich bei weitem nicht der Einzige, der sich an dieser Situation stört. Die Kombination einer ständig anwachsenden Datenbank und einem über die Jahre unüberschaubar gewordenen Stück Software führt dazu, dass bei vielen Gelegenheiten schier willkürlich Seiten generiert werden, die ich nicht benötige und über die ich kaum Kontrolle habe. Wozu benötigt jeder Mediathek-Inhalt eine eigene Anhang-Seite? Wann wird welches 404-Template verwendet? Wie kann ich herausfinden, welche Einträge aus der deutschen Sprachdatei im Frontend landen? Nicht nur, dass ich keinen Überblick mehr darüber habe, wie die Software ohne mein Wissen und gegen meinen Willen Inhalte generiert, dieses ständige Generieren frisst auch Zeit und Ressourcen. Ich spielte erstmals ernsthaft mit dem Gedanken, mich nach einem neuen CMS umzusehen.

Dieser Gruber, von dem immer alle sprechen, verwendet doch sowieso ausschließlich spezielle Spezialsoftware. Der Stadtpirat setzt auf ein Stück Technik namens Processwire. Die OddNina hingegen ist erst vor kurzem auf ein System namens Octopress umgestiegen. Martin und Marcel wiederum sprachen erst kürzlich von einem Dropbox-basierten CMS mit dem Namen Kirby. Überhaupt wäre ja auch Tumblr längst eine genauere Betrachtung wert, scheidet aber aus, weil es sich nicht auf einem eigenen Server betreiben lässt.

Allerdings darf ich auch nicht vergessen, die Nachteile eines Systemwechsels im Blick zu behalten: Wer garantiert mir, dass beim Umstieg nichts verloren geht? Wer schneidet mir in Zukunft automatisch die Thumbnails zurecht? Muss ich ab sofort jeden Beitrag in einer Monospace-Konsole ohne automatischen Zeilenumbruch schreiben und das HTML-Markup selbst setzen? Schaufle ich mir mein eigenes SEO-Grab, wenn all die alten Links mangels Rewrite-Engine ins Leere führen?

Gefühlt unendlich viele Gedanken schwirren mir gerade durch den Kopf, und ich weiß nicht, ob ich den großen Neuanfang überhaupt erst wagen soll. Ich sehe die schlaflosen Nächte vor mir, die vielen Probleme, die kommen werden, die ich mir im Moment aber noch gar nicht ausdenken kann. Diesmal soll es kein unüberlegtes Drauflos-Bauen werden, diesmal werde ich nach Plan vorgehen. Wie einfach es wäre, alles so zu belassen, wie es ist. Alles wäre gut. Aber ich kenne auch die große Ruhe nach dem Sturm, wenn sich der Staub in der Luft gelegt hat und einem der frische Wind ins Gesicht bläst. Alles wird besser.

Florian Lehmuth
10. März 2012
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