Proudly made on earth

♥-Blogs #6

Desk Typewriter Camera

CC-BY-NC-SA: Qian. Farbe: Eigenanfertigung

Nach zweimonatiger Pause habe ich vor ein paar Tagen wieder einmal meinen Feedreader geöffnet. Es ist keine leichte Aufgabe, sich durch die vierstellige Anzahl an Artikeln zu kämpfen, und es wird wahrscheinlich noch eine Weile dauern, bis ich wieder auf dem neuesten Stand bin. Doch der Abstand hat mir dabei geholfen, den Wert meiner Feeds neu zu bewerten. In den letzten Wochen hatte ich oft das Gefühl, etwas zu verpassen. Ich suchte nach anderen, ähnlich bereichernden Medienangeboten, aber fand keine. Ein Blick in die Blogs hat mir wieder gezeigt, dass meine Zeit dort gut angelegt ist. Einzelne Abonnements habe ich zwar gekündigt, doch dafür weiß ich die übrigen umso mehr zu schätzen. Ein paar davon möchte ich in dieser kleinen Serie vorstellen.

80 Days

Vor drei Jahren brach sie zu einer Weltreise auf und schaffte es über Südostasien bis nach Australien. Dann musste sie sich eingestehen, dass der Traum, dem sie folgte, der Traum der Anderen war. Und sie kehrte wieder zurück. Es mag deshalb überraschen, dass die unberechenbare, unaufhaltsame und unerreichbare Sara steckt ihre Energie nun ausgerechnet in ein dezidiertes Reiseblog steckt. Doch wahrscheinlich liegt es an ihrer persönlichen Erfahrung, dass sie mittlerweile hinter die romantisierte Fassade des Fernwehs blickt. Ihre Artikel sind kleine Abenteuerberichte, mit hübschem Bildmaterial geschmückt und immer sehr ehrlich. Natürlich springt Saras Euphorie nicht selten über. Dann verleitet sie aber nicht dazu, sich in fremde Träume zu flüchten, sondern eigene Pläne zu schmieden.

Der Stilpirat

Steffens verbreitet so viel Frohmut, dass er auch Therapeut hätte werden können. Das war aber nicht immer so: Seine Arbeit als Grafikdesigner frustrierte ihn so sehr, dass er irgendwann beschloss, die Karriere an den Nagel zu hängen. Nun verdient er sein Geld als Hochzeitsfotograf und ist damit nicht nur sehr erfolgreich, sondern auch glücklich. Auf seinem Blog zeigt Steffen neben Auszügen aus Hochzeitsreportagen auch Experimente mit Analogkameras und anderen fotografischen Genres. Außerdem berichtet er von unterwegs, wenn er auf Reisen ist. So gab es Anfang des Jahres viele Eindrücke aus Vietnam zu sehen, die man mittlerweile auch in Buchform erwerben kann. Momentan richtet sich der Stilpirat ein eigenes Studio ein. Die Erfolgsgeschichte geht weiter.

Emerge

Bildstrecken sind eine Plage, die auf allen publizistischen Onlineangeboten ausgebrochen zu sein scheint. Sie dienen dazu, die Werbeeinnahmen und die Seitenaufrufe des Mediums zu erhöhen. Die Leser hingegen bleiben oftmals enttäuscht zurück. Dieses kleine Blog ist anders: Es hat sich ganz der Qualität verschrieben und stellt junge Fotojournalisten vor, die in ihren Arbeiten gesellschaftlich relevante Probleme behandeln. Jede Reportage führt in eine neue Stadt, ein neues Land oder eine neue Welt. Meist werden Themen präsentiert, die im diskursiven Mainstream untergehen. Die Fotografen verstehen es, ganz unaufdringlich die Essenz eines Moments einzufangen. Und sie beweisen, dass man auch Geschichten erzählen kann, ohne viele Worte zu verlieren.

Severin Koller Photoblog

Das Geheimnis des fotografischen Erfolgs ist, nicht zu viel der eigenen Arbeit zu zeigen – so oder so ähnlich haben es schon einige Branchenvertreter formuliert. Severin hält sich nicht an diese Regel. Sein Fotoblog ist berüchtigt für Artikel, die den Arbeitsspeicher an die Belastungsgrenze bringen. Er zeigt Film um Film, immer schwarzweiß, immer analog. Die Bilder fangen das Straßenleben in seiner Heimatstadt Wien, aber auch in anderen Metropolen wie New York, Los Angeles oder Kigali ein. Es lohnt sich, näher hinzusehen, denn in vielen Aufnahmen sind ironische Kontraste versteckt. Den Großteil seiner Fotos versieht Severin mit Bildunterschriften und gibt dadurch Einblicke in sein eigenes Leben. Mit einer Tasse Kaffee wird jeder Post zum Genuss.

The Road Is Home

Man muss vielleicht wissen, dass die folgende Geschichte auf einem anderen Kontinent spielt, um ihr Glauben schenken zu können. Die Menschen, die unter der strahlenden Sonne Australiens aufwachsen, scheinen einen unerschöpflichen Freiheitsdrang zu entwickeln. So wie Nirrimi, die im Alter von dreizehn Jahren zur Kamera griff, um ihrer Vorstellung von Schönheit hinterherzujagen. Kurze Zeit später brach sie die Schule ab und zog nach Melbourne, wo sie sich in einen anderen Fotografen verliebte. Die beiden reisten um die Welt, Nirrimi arbeitete für namhafte Vertreter der Modebranche und gewann mehrere Preise. Mit neunzehn brachte sie eine Tochter zur Welt. Ihr Leben verläuft seitdem ein wenig ruhiger. In regelmäßigen Abständen berichtet sie davon auf ihrem Blog und es ist schwer zu sagen, ob Texte oder Bilder mehr bewegen. Die Schönheit hat Nirrimi jedenfalls gefunden: Nicht nur in anderen Ländern und fremden Menschen, sondern vor allem bei ihrer eigenen Familie.

Florian Lehmuth
15. Oktober 2013
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