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la revolución no será incomible

Ofenkartoffeln mit geschmolzenen Aprikosen, Linsen und Spinat

Ein weißer Teller mit blauen Verzierung ist mit Besteck und einem Glas Wasser auf einer Bambusmatte angerichtet, die sich auf einem sonst leeren Holztisch befindet. Auf dem Teller befinden sich als unterste Schicht Spinatblätter, darauf Bratkartoffeln und Belugalinsen, zuletzt eine Handvoll gegrillter Aprikosenhälften und zur Abrundung frisches Basilikum sowie ein paar Kleckse veganen Frischkäses.

Ich sitze am offenen Fenster und beobachte, wie die letzten Sonnenstrahlen auf den roten Ziegeln gegenüber langsam in die Höhe wandern. Es war nicht leicht, an diesem turbulenten Tag eine frische Mahlzeit auf den Tisch zu zaubern und ich frage mich, ob diese Hektik Auslöser oder Ausrede dafür ist, dass ich seltener am Herd stehe als früher.

Eigentlich höre ich dieses Argument nicht gerne: Dass Menschen zu Tiefkühlnahrung oder Lieferdiensten greifen, weil sie angeblich keine Zeit zum Kochen haben. Dann muss ich an die Generationen vor uns denken, die es auch ohne tarifliche Arbeitszeitbegrenzung noch schafften, ihr eigenes Mittagessen zuzubereiten. Ich denke auch, wie wichtig es ist, bodenständig zu bleiben und wenigstens die wichtigsten Handgriffe im Haushalt selbst zu übernehmen.

Aber halt, so einfach ist es natürlich nicht. Es ist ja nicht so, als seien Hausarbeiten wie Kochen jemals von allen Menschen zu gleichen Teilen verrichtet worden. Auch heute noch sind es in Deutschland überwiegend Frauen, die kochen. Noch erdrückender ist der Eindruck, dass Männer nicht bereit zu sein scheinen, sich Aufgaben im Haushalt zu teilen, obwohl Frauen wegen steigender Erwerbstätigkeit weniger Zeit dafür bleibt.

In gewisser Hinsicht ist die Fertigpizza oder der Restaurantbesuch also ein feministischer Erfolg. Es muss kein Kompromiss mehr darüber gefunden werden, wer nach einem langen Tag noch frisches Gemüse schnippelt. Vor allem Frauen bleibt dadurch mehr Zeit. Das Problem hat sich verlagert, gelöst ist es deshalb noch nicht.

Es scheint nämlich fast, als sei die Essenszubereitung mit einer Art Fluch behaftet und wer auch immer sich ihr hingibt, zu Knechtschaft verdammt. Jedenfalls landen die Einkommen in der Gastronomie verglichen mit anderen Berufsgruppen ganz am unteren Ende der Skala. Die Mehrheit der Beschäftigten ist: weiblich.

Es spricht also Einiges dafür, das Kochen selbst zu übernehmen. Nicht nur, weil wir so die Arbeitsbedingungen selbst bestimmen, sondern auch die Zutaten. Mit ein wenig Übung, davon bin ich überzeugt, schmeckt es zuhause nicht nur am besten, sondern macht die Zeit in der Küche als erholsamer Ausgleich zu sonstiger Tätigkeit auch richtig Spaß. Der subjektive Eindruck mag täuschen, doch insgesamt haben die Menschen in Deutschland immer mehr Freizeit. Warum nicht wenigstens einmal am Tag dankbar sein für den eigenen Reichtum und die explodierende Vielfalt in den Supermarktregalen? Dankbarkeit, die sich ganz unmittelbar ausdrücken lässt mit nur einem Messer und einem Schneidebrett, einer Pfanne oder einem Topf. Oder, wie in diesem Fall, einem Backblech.

Voraussetzung ist selbstverständlich, dass die Kocharbeit fair verteilt ist. Wer andere für sich schuften lassen will, darf sich nicht über Tütensuppe beklagen.


Balance zu schaffen mag nicht immer einfach sein, wenn man mit dem Magen denkt. Denn der neigt zu impulsiven Vorschlägen, die ihn wiederum nicht lange zufriedenstellen. Sobald die Chipstüte leer ist, fällt dem vollen Bauch auf, dass eine vollwertige Mahlzeit wohl doch die bessere Wahl gewesen wäre. Man muss also versuchen, die Sache besonnen abzuwägen, am besten mit stabilem Blutzuckerspiegel.

Bratkartoffeln sind eine gute Basis und im Ofen blitzschnell zubereitet. Eine Handvoll halbierter Aprikosen passen auch noch aufs Blech und machen die Angelegenheit gleich deutlich interessanter. Ein paar Spritzer Olivenöl, Pfeffer und Salz, je nach Süße der Aprikosen gebe ich eventuell noch etwas Balsamico dazu. Bei 200 Grad für 20-30 Minuten in den Ofen und fertig.

In der Zwischenzeit koche ich zwei Espressotassen voll Belugalinsen zusammen mit einer fein gehackten Zwiebel, Tandoori-Gewürzpulver und natürlich ausreichend Salz.

Wenn die Kartoffeln leicht knusprig sind, die Aprikosen so marmeladig, dass sie beinahe auseinanderfallen, und die Linsen bissfest, aber weichgekocht, ist es Zeit, anzurichten.

Ganz unten bilden rohe Spinatblätter eine erdige, aber gleichzeitig knackig-frische Grundlage. Als Dressing reichen mir ein paar Spritzer Rotweinessig aus. Die Kartoffeln sollen einen neutralen Mittelpunkt bilden, der von der fruchtigen Süße der Aprikosen gekrönt wird. Das stechende, helle Aroma der Früchte gleiche ich wiederum durch ein paar dunkel-schwere Basilikumblätter aus. Ringsherum sorgen die Linsen für eine deftige, aber komplex gewürzte Beilage. Weil sich nun so viele entgegengerichtete Elemente die Waage halten müssen, versuche ich, die Situation mit einigen Klecksen veganen Frischkäses bzw. veganer Crème fraîche abzumildern.

Siehe da: Ein Gericht, das im Kopf entstanden ist, aber so nachhaltige Erinnerungen hinterlässt, dass es seine eigenen Hungergefühle erzeugen kann.

Florian Lehmuth
8. September 2018
Geschmacksrichtung:

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