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la revolución no será incomible

Vegane Wirsing-Wickel, wunderbar

Deutsche Küche, ein politisches No-Go? Anders gefragt: Ist Nationalismus etwas, das man essen kann?

Vom Eintopfsonntag der Nazis bis hin zu den Freedom Fries der Republikaner ist die Geschichte ein üppig gedecktes Bankett, mit dem Menschen nicht nur gespeist, sondern oft für ganz konkrete Ziele rekrutiert werden sollen. Oberflächlickeiten wie die Namensgebung eines Frühstücksfladens oder die richtige Zubereitung von Guacamole dürften Gesprächsstoff für maximal eine Mahlzeit bieten. Worüber man sich viel länger unterhalten könnte, nein sogar müsste, das ist wesentlich komplizierter und bleibt daher viel zu oft unerwähnt. Woher unsere Lebensmittel kommen; wer sie anbaut, erntet, verarbeitet und verkauft; welche Rolle Unternehmensstrukturen, internationale Wirtschaftsbeziehungen und Klimawandel spielen—machen wir uns darüber wirklich Gedanken?

Vielleicht haben wir Angst davor, uns den Appetit zu verderben. Denn das ist das Problem mit Essen: Sollte es rein rationales Denken überhaupt geben, dann ganz bestimmt nicht, solange wir hungrig sind. Wenn der Ernstfall eingetreten ist, greifen wir nur zu gerne auf das zurück, was uns schon in der Vergangenheit gesättigt und geschmeckt hat. Kein Wunder also, dass Küche immer identitätsstiftend ist. Womit wir zurück bei der Ausgangsfrage wären. Darf man Kohlroulade essen, wenn eine ihrer Fans Angela Merkel heißt? Ich würde sagen ja, aber nur, wenn es danach Ouzu gibt.

Weil pflanzliche Ernährung ihren Siegeszug in einer globalisierten Welt angetreten hat, besteht vielleicht eine kleine Chance, mit diesem Rezeptvorschlag zur ersten erdumspannenden Cuisine beizutragen, die ihren Status nicht nur durch die Vielfalt der Kochenden verdient, sondern auch durch die nachhaltige Produktion ihrer Zutaten. Immerhin sind sie in diesem Fall sowohl saisonal als auch regional (bis auf die problemlos zu ersetzende Quinoa).

Das Nachkochen kann ich also dringend empfehlen, nicht nur wegen des guten Geschmacks, sondern auch wegen des guten Gewissens.

Wir kochen die Quinoa zwanzig Minuten lang in der doppelten Menge Wasser und die Linsen fünfzehn Minuten lang in der doppelten Menge Brühe. In einer Pfanne dünsten wir die gehackte Zwiebel, geben die kleingeschnittenen Champignons dazu und braten sie an, bis sie ihre Feuchtigkeit verloren haben. Danach kommen noch der Kürbis in groben Würfeln und der Lauch in feinen Streifen dazu. Wenn alles bissfest ist, schmecken wir das Ergebnis mit Gewürzen und Kräutern nach Wahl ab. Zum Abschluss rösten wir eine Handvoll Sonnenblumenkerne in einer trockenen Pfanne.

Wir verbinden alle Bestandteile mit den geriebenen Mandeln in einer krümeligen Masse, die wir noch einmal abschmecken. Damit befüllen wir ungefähr acht große Wirsingblätter, die wir nach dem Waschen getrocknet und mit etwas Pfeffer und Salz bestreut haben. Die mittig platzierte Füllung umschließen wir erst von den Seiten, dann falten wir die beiden Enden übereinander und fixieren sie mit einem Zahnstocher.

Die Krautwickel braten wir in Öl oder veganem Butterschmalz von allen Seiten gut an und löschen sie mit Brühe ab. Der Wirsing darf noch fünfzehn bis zwanzig Minuten weiter köcheln. Dann machen wir aus der Brühe mit Hafersahne eine herzhafte Soße.

Wir richten die Wickel mit Rote Bete, grünem Salat, frischen Kräutern und Kürbiskernen an.

Wenn Winter so schmecken kann, wandere ich vielleicht erst nächstes Jahr aus.

Florian Lehmuth
1. November 2017
Geschmacksrichtung:

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