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la revolución no será incomible

»Da stellte ich fest, dass Wein auch richtig gut schmecken kann:« Auf ein Glas mit dem Weintester

In der Nase fruchtig mit Aromen von Himbeere, Granatapfel und Holunder: Weintrinker Lukas Junker

Irgendwann erzählte mir mein Freund und Go-to-Genie Lukas Junker, dass er angefangen habe, die Weine, die er zuhause in der Küche trinkt, nach einem ausgefeilten Punktesystem zu bewerten.

Ich erinnerte mich an die Zeiten, als wir uns noch aufs elterliche Weinregal stürzten und dabei alles entkorkten, was wir in die Hände bekamen. Also meistens die Flaschen, von denen der Rest der Familie bewusst die Finger ließ. Ich hatte keine Ahnung, dass ich mit einem zukünftigen Gourmet anstieß.

Aus der Ferne beobachtete ich, wie Lukas seine Bewertungen immer weiter verfeinerte und schließlich in eine Webseite namens WeinWeinWein goss. Groß war meine Freude, als er mich nach langer Zeit wieder einmal besuchen kam und wir die Gelegenheit hatten, ausführlich über seine Leidenschaft zu sprechen.


Hallo Lukas. Schön, dass wir endlich dieses lange geplante Gespräch führen können.

Lange keinen Wein mehr zusammen getrunken. Ich mache schon einmal die Flasche auf: einen Petit Verdot aus Sizilien. Eine blaue Rebsorte, die vielen Bordeaux-Weinen beigemischt ist, aber nur in sehr kleinen Mengen. Dieses reinsortige Exemplar ist etwas Besonderes.

Und es schmeckt uns ziemlich gut. Wir sind beide jung und mittellos, aber im Gegensatz zu mir gibst du einen beträchtlichen Teil deines Einkommens für Wein aus. Warum?

Mit Wein kann man sich natürlich stilvoller betrinken als mit anderem Alkohol (lacht). Das ist aber nicht ausschlaggebend für mich. Mich reizt die Vielfalt von Wein. Das geschmackliche Spektrum von Bier oder Whiskey mag ebenfalls breit sein, aber diese Getränke können in ziemlich gleichbleibender Qualität hergestellt werden. Beim Wein spielt das Ausgangsmaterial eine wesentlich größere Rolle, und damit eine ganze Reihe von Faktoren: das Wetter, der Boden, die Rebsorte, die Entscheidungen der Winzerin und des Kellermeisters*, um nur einige zu nennen. Wein ist ein echtes Naturprodukt und die Ergebnisse sind nie konstant. Jedes Jahr muss man sich neu auf die Natur einstellen. Ich finde es spannend und es macht mir Spaß, diese Unterschiede herauszuschmecken.

Womit fing diese Begeisterung an?

Mein Vater trinkt gerne Rotwein, gibt aber keine allzu großen Summen dafür aus. Was ich bei ihm probiert habe, kam mir sauer und zu herb vor und hat mir nicht wirklich geschmeckt. Bis zu dem Zeitpunkt, als mir jemand einen eher hochwertigen Brunello di Montalcino anbot. Da stellte ich fest: Wein kann auch richtig gut schmecken. Nicht sauer oder übermäßig herb, sondern fruchtig. Das war für mich der Auslöser, mich intensiver mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Und dein nächster Einkauf führte dich direkt in den Weinfachhandel?

Als Einsteiger konnte ich nicht nachvollziehen, warum man für eine Flasche mehr als fünf Euro ausgeben sollte. Ich habe also erst einmal das Angebot der Supermärkte und Discounter erkundet. Was man dort findet, ist durchaus akzeptabel. Hohe Qualität gibt es aber erst in einer höheren Preisklasse. Dafür lohnt es sich, woanders einzukaufen.

Es gibt doch auch teure Supermarktweine.

Ich habe den Eindruck, dass man in diesem Segment für große Namen wie Bordeaux oder Barolo bezahlt, vermutlich aber nur unterdurchschnittliche Chargen bekommt. Im Fachhandel oder beim Weingut werde ich beraten und kann den Wein probieren, bevor ich ihn kaufe.

Nun hast du beschlossen, deine Leidenschaft mit der Welt zu teilen. Erzähle doch bitte von deinem neuen Projekt WeinWeinWein.

WeinWeinWein ist eine Webseite, auf der ich Weinbewertungen veröffentliche—natürlich kostenlos. Ich glaube, dass die Durschnittskonsumentin, die während des Lebensmitteleinkaufs auch noch einen Wein besorgen möchte, vom Angebot der Supermärkte und Discounter überfordert ist. Jetzt kann sie vor dem Weinregal meine Seite aufrufen und findet den besten Wein, der in ihrem Budget liegt.

Du bist bestimmt nicht der erste Mensch, der im Internet Weine bewertet. Was ist das Alleinstellungsmerkmal von WeinWeinWein?

Ich berechne für jede Flasche ein Preis-Leistungsverhältnis. Das sieht man in keiner professionellen Zeitschrift. Ich glaube, dass die Autorinnen sich gar nicht trauen würden zuzugeben, dass manche Weine zwar gut sein mögen, aber völlig überteuert sind. Dagegen ist für viele Konsumentinnen, die darauf achten, wie viel Geld sie ausgeben, der Preis kaufentscheidend.

Ich bewerte Weine sowohl aus dem Supermarkt und Discounter als auch von Weingütern oder aus dem Fachhandel. Ich sehe mich als Vermittler, der zeigt, dass es auch Schnäppchen beim Discounter gibt, dass man einen Zehn-Euro-Wein aber besser im Fachhandel als im Supermarkt kaufen sollte.

Es gibt auch andere Weinplattformen wie Vivino oder CellarTracker, auf denen alle ihre Verkostungsnotizen eintragen können. Das Problem daran ist, dass ich die Bewerterinnen nicht kenne und dementsprechend nicht weiß, welche Maßstäbe sie anlegen. Manche sind großzügig, andere eher kritisch. Die Aussagekraft der aggregierten Punktzahl halte ich für gering. Bei WeinWeinWein kommen alle Bewertungen von mir.

Wo wir bei den Besonderheiten deiner Seite sind, muss ich unbedingt erwähnen, wie praktisch ich die Filterfunktion und die detaillierten Statistiken finde. Dass du dich von Wein-Communitys abgrenzen möchtest, könnte aber etwas narzisstisch wirken. Hältst du deinen Geschmack denn für allgemeingültig?

Nein, natürlich nicht. Im Gegenteil: Mein Publikum soll mir gerne Anregungen geben, indem es Kommentare verfasst. Der Vorteil meiner Herangehensweise ist, dass sich die Bewertungen untereinander vergleichen lassen, weil ich immer unter den gleichen Bedingungen und nach den selben Kriterien bewerte. Trotzdem lässt sich ein Wein natürlich nur schwer auf eine einzelne Zahl reduzieren. Deshalb gibt es zusätzlich zur Punktzahl, die eher eine Tendenz widerspiegelt, eine Beschreibung mit genaueren Informationen über Geruch, Aromen, Mundgefühl und so weiter.

Dein Bewertungsschema hast du ausführlich beschrieben. Es sagt aber noch nichts über deine Vorlieben aus. Was macht einen guten Wein für dich aus?

Er sollte aromatisch und harmonisch sein. Ich mag opulentere trockene Rotweine mit moderater Säure, die gerne etwas Zeit in einem Holzfass verbracht haben dürfen. Finessen kann ich noch nicht so wertschätzen, weswegen ich momentan weniger an eleganten Weinen interessiert bin. Weißwein trinke ich seltener.

Kannst du uns zum Abschluss die sicher oft gestellte Frage beantworten: Wie viel muss man für eine gute Flasche Wein ausgeben?

Zunächst kommt es darauf an, wie man gut definiert. Ich würde jeden Wein, den ich mit mehr als achtzig Punkten bewertet habe, bedenkenlos empfehlen. Die Statistik zeigt, dass man für diese Qualität im Durchschnitt mindestens fünf Euro für Rotwein und vier Euro für Weißwein ausgeben muss. Mit steigendem Preis sinkt das Risiko, einen Fehlgriff zu landen. Noch wichtiger ist es, den eigenen Geschmack zu kennen. Bei der Auswahl helfen also zwei Dinge: Trinken, trinken, trinken und WeinWeinWein.

*Geschlechtsneutrale Formulierungen und generisches Femininum stammen vom Redakteur dieses Interviews.
Florian Lehmuth
7. Oktober 2017
Geschmacksrichtung:

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