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Bad Banks: Gier vereint

Jana Liekam (Paula Beer) sitzt an ihrem Schreibtisch hinter mehreren Bildschirmen und arbeitet. Es scheint spät zu sein, denn die anderen Arbeitsplätze im Großraumbüro sind leer.

Geld schläft nicht: Die junge Bankerin Jana ist hochambitioniert, aber weitgehend erfolglos, bis sie selbst zu den schmutzigen Methoden ihrer Vorgesetzten greift © Sammy Hart / ZDF

Neulich bei einem ersten Date. Feines Lokal, gedimmtes Licht, gedämpfte Gespräche über plätschernden Klavierakkorden. »In welcher Branche verdienst eigentlich du deine Brötchen,« frage ich mein Gegenüber. Zögern. Verlegenheit.

Investmentbanking, kommt dann heraus.

Ich bin geschockt. Schon will ich zeternd meine Faust erheben, um mich gebührend über die anzugtragende Raubtierbande im Spätkapitalismus zu echauffieren, da höre ich ein prustendes Lachen.

»Dein Gesicht solltest du sehen! Nein, ich schreibe Drehbücher, fürs ZDF, arte, wer auch immer sie kauft, eben.«

»Abe…«

»Ha, auch gelogen. Ich bin gar kein Mensch, sondern eine rhetorische Figur, und du bist gar nicht im Restaurant mit Silberbesteck in den Händen, sondern zuhause und starrst auf dein Telefon.«

Tatsächlich, stelle ich überrascht fest, und drücke auf Pause. Wie bin ich überhaupt hierhin gelangt? Eine Serie über die dunklen Deals der Bankenwelt, zehn Jahre nach der US-Hypothekenkrise? In einer Zeit, in der die europäische Wirtschaft boomt, in der die Eurokrise hierzulande längst zu einer traurigen, aber allgemein akzeptierten Randnotiz geworden ist? Eine in Deutschland produzierte Serie noch dazu?

Am nächsten Tag bin ich mit allen sechs Folgen von Bad Banks durch und überzeugt, dass dieses kleine Stück Unterhaltung zum Besten gehört, was die deutsche Fernsehlandschaft bisher hervorgebracht hat. Nicht, dass das besonders viel zu bedeuten hätte. Meinen Netflix-Account werde ich deswegen nicht kündigen, aber immerhin gebe ich zu, dass es sie geben kann: Sehenswerte Serien außerhalb der anglo-amerikanischen Welt. In diesem Fall lässt sich das vor allem auf gutes Handwerk zurückführen, neben einem unerwarteten Alleinstellungsmerkmal.

Endlich mit Netflix mithalten können

Gutes Handwerk, das bedeutet in erster Linie ein Erzählstil, wie man ihn dem Fernsehpublikum in Deutschland bisher nicht zugemutet hat. Kaum auszudenken, wie das Skript ausgefallen wäre, wenn nach dem üblichen Schema der maximalen Offensichtlichkeit, Oberflächlichkeit, Vorhersehbarkeit verfahren worden wäre. Wahrscheinlich hätte ein Anzugmensch schon in den ersten paar Minuten eine metaphorische, aber eben auch real existierende, cremig-süße Sahnetorte angeschnitten, um daran mindestens die Grundlagen des Investmentbankings, wenn nicht gar das Wirtschaftssystem zu erklären.

Gabriel Fenger (Barry Atsma) weist mit einer Handbewegung auf jemanden hin, der im Bild nicht zu sehen ist. Hinter ihm stehen seine Kollegen und klatschen Beifall.

Alles Wichtigtuer, die mit der Wahl ihrer Schuhe mangelnden Charakter kompensieren möchten? © Sammy Hart / ZDF

Anders hier. Natürlich, das Setting ist wahrlich nicht neu, und auch so manches Klischee wurde wohl mit der Kulisse im Paket eingekauft. Männer, die ihre Geschäfte koksend im Stripclub machen, wirklich? Das Schöne ist, dass den Verhältnissen mindestens ebenso oft der Spiegel vorgehalten wird, etwa wenn sich herausstellt, dass der Mann, dem die Tänzerin gerade noch ihren BH umgelegt hat, schwul ist.

Die Haupthandlung lässt sich gut zusammenfassen: Die junge Bankerin Jana ist hochambitioniert, aber weitgehend erfolglos, bis sie zu den gleichen schmutzigen Methoden greift, die ihren Vorgesetzten zu deren Posten verholfen haben. Verbündung, Verschwörung und Verrat wechseln sich dabei in solchem Tempo ab, dass es sich ebenso gut um einen Polit- oder Spionagethriller handeln könnte.

Links und rechts des Haupt-Erzählstrangs gibt es immer wieder kleine Sackgassen, die nur dazu da sind, um den nötigen Kontext zu schaffen. Erstaunlich, dass dafür bei nur fünf Stunden Laufzeit Raum geblieben ist, und doch essentiell, um die lebhaften Figuren zu erschaffen, die die Serie tragen.

Zwei Frauen gegen den Sexismus einer ganzen Branche

Im Zentrum steht neben Jana die einflussreiche Investment-Chefin Christelle Leblanc. Gemeinsam gehen die beiden gegen eine Welt vor, in der Frauen nur geduldet werden, solange sie den Männern in den Eckbüros nicht gefährlich werden. Oft genug reicht schon ein kurzer Einblick in die Sprache dieser Männerwelt, um ihren alle Lebensbereiche durchdringenden Sexismus zu entlarven. In anderen Fällen zeigt sich diese Aggression als ganz unmittelbare, körperliche Bedrohung.

Faszinierend ist, wie die Frauen darauf reagieren. Jana lässt sich durch sexistische Beleidigungen kaum aus der Ruhe bringen, gewinnt im Gegenteil an Größe, wenn sie zeigt, dass sie über diesen so offensichtlich zur Schau gestellten Minderwertigkeitskomplexen steht. Sie verstrickt sich nicht in Rivalitäten mit ihrer Kollegin, wie das so viele eindimensional gezeichnete weibliche Charaktere tun.

Wir sind halt Frauen, und Frauen arbeiten nicht zusammen, die bilden keine Klubs, die gehen auch nicht zusammen in den Puff. Wir tun lieber so, als würden wir uns hassen, und machen uns gegenseitig kaputt.

– Jana

Als ihr Chef sie nachts im Flur bedrängt, kanalisiert sie ihre Familiengeschichte, um sich als hilfloses Mädchen darzustellen, während sie ihm eiskalt ins Gesicht lügt. Hinterher ist sie selbst überrascht davon, wie schnell sie alle Skrupel verloren hat; wie weit sie sich von diesem Mädchen entfernt hat. Dass diese Szene funktioniert, dass Jana in so kurzer Zeit eine beachtliche Entwicklung hinlegt, das ist allein der Verdienst einer großartigen Paula Beer.

Merklich müde und überarbeitet sitzt Jana (Paula Beer) nachts im Büro und arbeitet. Die junge Frau hat ihre Schuhe ausgezogen, hockt mit angezogenen Beinen auf ihrem Bürostuhl und schaut nahezu apathisch auf die Monitore vor sich.

Oft genug reicht ein Blick auf die Sprache der Männerrunden, um ihren Sexismus zu entlarven. In anderen Fällen zeigt er sich als ganz unmittelbare, körperliche Bedrohung © Ricardo Vaz Palma / ZDF

Handwerklich kann die Serie also durchaus mit dem Großteil dessen mithalten, was sonst nur als Importware auf unsere Bildschirme gelangt. Ob das genug ist, um sie in einer immer größer werdenden Flut an Streaming-Angeboten hervorstechen zu lassen? Zuerst dachte ich mir: Eigentlich völlig egal, wo die Gesichte nun spielt, solange sie gut erzählt ist.

Schließlich erinnerte ich mich wieder an den irren Sprachmix, den ich zuerst als etwas lahmen Versuch verstanden hatte, das unerträgliche BWL-Sprech zu imitieren. Wenn allerdings neben den allgegenwärtigen Einschüben auf Englisch eine Figur in einem Atemzug erst Deutsch, dann Französisch, dann Luxemburgisch spricht, ist das mehr als nur ein Jargon von Wichtigtuern, die mit der Wahl ihrer Schuhe mangelnden Charakter kompensieren möchten.

Ich glaube, dass eine nicht zu vernachlässigende Chance einer europäischen Koproduktion wie dieser darin liegen dürfte, dass sie die Lebenswirklichkeit einer neuen, internationalen Generation abbilden und diesen Menschen zugleich ein identitätsstiftendes mediales Zuhause bieten kann. Dass Jana von einem Tag auf den anderen ihren Job verliert, in ein anderes Land fährt, dort eine neue Stelle annimmt und am Abend ihre neue Wohnung aufschließt: Keine Selbstverständlichkeit, und doch eine Realität.

Gleichzeitig wandeln wir vom Aufwachen bis zum Einschlafen in einer durch und durch US-amerikanisch geprägten Medienwelt. Es ist eine Freude, mit Menschen von Südamerika bis Ostasien über Marvel-Filme oder Friends sprechen zu können. Fernab jeglichen Patriotismus wäre es doch vielleicht gar nicht schlecht, wenn es auch ein gesamteuropäisches Kulturangebot gäbe, anhand dessen sich die großen Fragen dieses Kontinents und der Welt diskutieren ließen.

Es fehlt die gemeinsame Sprache, lautet die wohl geläufigste Antwort auf einen solchen Vorschlag.

Fernsehen könnte diese Sprache sein.

Bad Banks ist noch bis Ende August in der ZDF-Mediathek verfügbar.
Florian Lehmuth
1. März 2018
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