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Die neue Droge

Kill your TV

CC-BY-NC: Roo Reynolds

Seit einer Woche wird die einundzwanzigste Simpsons-Staffel in Deutschland ausgestrahlt. Ich kenne die Folgen schon in der englischen Fassung, doch es ist trotzdem interessant, die deutschen Synchronstimmen zu hören und über Witze zu lachen, die einem im Original entgangen sind. In weniger als zwei Wochen strahlt dagegen FOX in den USA Staffel 22 aus, anfangend mit Episode 465 seit Beginn der Simpsons-Rechnung im Jahre 1989. Mit allen noch angekündigten Fortsetzungen könnte man beinahe eine ganze Woche in Springfield verbringen, die Nebenproduktionen nicht eingerechnet.

Ebenfalls ProSieben strahlt demnächst wieder einmal die fünfte “Staffel” von Futurama aus, die eigentlich aus vier zerteilten Filmen in Kinolänge besteht. In den Staaten ist man uns wie immer voraus – Staffel 6 läuft schon seit einer Weile, letzte Woche feierte die insgesamt hundertste Episode Premiere. Der neue Cast für Skins 5 und 6 wurde soeben präsentiert, mit neuem Material darf man im nächsten Frühjahr rechnen; der Kinofilm scheint tatsächlich produziert zu werden. Von Fringe wird in Deutschland Stück für Stück die zweite Staffel ausgestrahlt, während man sich noch in diesem Monat auf Nachschub in englischer Sprache freuen darf.

Erst seit ein paar Monaten bin ich dem Serienwahn verfallen, doch ich habe schon vollstes Verständnis für alle, die sich regelmäßig zeremoniell vor ihrem Fernsehgerät versammeln und für den rituellen Telemedienkonsum Arzt- oder Hochzeitstermine verschieben. Es ist diese neue Droge, die die Rundfunkanstalten vielleicht doch noch ein wenig länger über Wasser halten könnte, wenn auch der Zugang zu neuem Stoff via Internet um einiges leichter ist. Dass es inzwischen dank iTunes und Co selbst legale Möglichkeiten gibt, die Inhalte am Rechner aufzunehmen, ist ein deutliches Anzeichen für den bevorstehenden Umbruch.

Im Netz findet man dann glücklicherweise auch immer jemanden, der sich mit der jeweiligen Serie besser auskennt als man selbst – seien es die Menschen, die alle Varianten von Lisas Saxophon-Solo im Simpsons-Vorspann kennen oder derjenige, der in mühseliger Kleinstarbeit Folgen englischer Formate mit deutschen Untertiteln versieht. Doch auch jeder einzelne Zuseher profitiert von den Eigenschaften einer gut produzierten Serie. Man muss sich nicht ständig mit neuen Charakteren auseinandersetzen und kann dennoch ständig und überall neue Akteure kennenlernen. Für eine einzelne Folge lässt sich der Alltag fast immer unterbrechen, mehrere Episoden hintereinander bieten geradezu grenzenlose Unterhaltung – ohne abzuflachen und zu langweilen. Die Handlung springt entweder immer wieder zum Status quo zurück oder entwickelt sich weiter, verschiedene Stränge trennen sich und gehen dann wieder ineinander über. Insbesondere bei häufigerem Sprachenwechsel eröffnet sich einem eine ganz neue Welt der Synchronsprecher, man kann Vergleiche über Stimmen und Sprachen anstellen – und sich gerade bei letzterem in Wortschatz und Grammatik schulen. Spielfilme sind doch sowas von letztes Jahrhundert.

Ob er die Risiken und Nebenwirkung des Serienkonsums auf sich nehmen möchte, soll an dieser Stelle jeder Leser für sich selbst entscheiden.

Florian Lehmuth
14. September 2010
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