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Serienwahn: Dexter

© Justin Cline

Man darf gar nicht damit anfangen, Dexter nach moralischen Maßstäben zu bewerten. Oder der Hauptfigur in irgendeiner Weise Vorbildfunktion zu attestieren. Denn Dexter Morgan ist vor allem eines: Ein Psychopath. Ein kranker Killer. Ein traumatisierter Waise, der sich nie von den schrecklichen Vorfällen seiner Kindheit erholt hat. Völlig gefühlskalt ist seine einzige Motivation der unwiderstehliche Drang, zu töten.

Aber fangen wir besser von vorn an. Als sein Ziehvater Harry, erfolgreicher Polizist und größtes Idol des jungen Dexter, ebendiese Symptome bemerkt, schickt er ihn nicht in professionelle Behandlung oder übergibt ihn der Justiz. Nein, er lehrt ihn, mit seinem Trieb zu leben und vor allem zu überleben. Deshalb lässt er sich einen Codex einfallen, der dem Wahnsinn System und einen Hauch Rechtfertigung oder moralische Integrität verleihen soll. Denn sein Sprössling wird fortan dazu ausgebildet, nur Personen abzuschlachten, die einen solchen Tod nach seiner Auffassung verdient hätten. Brutale Killer, bei denen das System versagt hat, die den Fängen der Justiz entkommen sind oder von deren dunklen Machenschaften die Exekutive keinen blassen Schimmer hat.

Damit fangen für den Zuschauer die Probleme an, wenn er sich denn nicht an die eingangs erwähnte Regel hält. Immerhin liegt der Schauplatz Miami im sonnigen Florida, wo seit 1976 ganze 69 Menschenleben durch die Giftspritze legal beendet wurden. Das Gefängnissystem der Vereinigten Staaten gilt völlig zu Recht als eines der härtesten überhaupt in den sogenannten Rechtsstaaten, die Zahl der Gefängnisinsassen ist sowohl absolut als auch im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung die höchste weltweit. Die Justiz unterliegt den Interessen der Arbeitsmarktpolitik, Minderheiten werden bewusst diskriminiert. Es wäre also fatal, Dexter auch nur die geringste politische Bedeutung beizumessen. Man darf vielmehr hoffen, dass die Produzenten einigen Sinn für Sarkasmus besitzen.

Warum aber ist diese Serie dennoch ein kleines filmisches Meisterwerk?

Bewegen wir uns im Plot ein wenig voran. Der junge Morgan schließt erfolgreich sein Medizinstudium ab, einerseits, um noch effektiver zu töten, andererseits, so will es die Ironie, um sich fortan als Blutspurenexperte bei der Forensik der Miami Metro Police zu verdingen. Dort ist auch seine Adoptivschwester Debra tätig, der einzige Mensch, für den Dexter eine Art Zuneigung empfindet. Wir sehen schon: Diese Ausgangslage hält einiges explosives Material für Verwicklungen und überraschende Wendungen bereit. Denn so gut die Sache mit dem Doppelleben für unseren Protagonisten anfangs noch läuft, so schnell tauchen die ersten Schwierigkeiten auf. Schnell landen die ersten Leichen auf Dexters Schreibtisch, die er erst in der Nacht zuvor eigenhändig liquidiert hat. Und zu allem Überdruss gerät in solchen Momenten auch immer noch die Familie in Form der anhänglichen Schwester dazwischen oder die Personen, zu denen er gerade erst mühevoll Scheinbeziehungen aufgebaut hat, stellen sich in die Quere.

Dexter ist rasant, amüsant und regt irgendwie auch immer zum Nachdenken an. Erzählt wird immerhin die Geschichte eines totalen Außenseiters, der den anderen weder seine Geheimnisse offenbaren, noch so wirklich am Leben seiner Umwelt teilhaben kann. Der Soundtrack stellt für mich einen der Höhepunkt der Filmmusik dar, was wir Daniel Licht als Komponisten zu verdanken haben. Nicht nur die schauspielerische Leistung sticht hervor, auch die deutsche Synchronisation fällt mir diesmal positiv auf. Michael C. Halls Stimme taugt als durchdringender Ich-Erzähler im Original tatsächlich weniger als die nachgesprochene Version von Dennis Schmidt-Foß.

Bisher wurden fünf Staffeln Dexter vom US-amerikanischen Kabelsender Showtime produziert und ausgestrahlt. Deutschland ist wie immer ein Jahr hintendran, man muss also damit rechnen, dass die neuesten Episoden erst Ende diesen Jahres im Pay-TV gesendet werden. Dafür dürfte in diesem Zeitraum in Amerika schon Staffel Sechs Premiere feiern.

Florian Lehmuth
15. Juli 2011
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