Proudly made on earth

Serienwahn: Mad Men

© AMC

Die Geschichte beginnt mit einem Mann in den besten Jahren, der sich in einer verrauchten Bar den Kopf über ein Konzept zerbricht, das er auf eine Serviette kritzelt. Gutaussehend ist er, keine Frage, erfolgreich, ein Mann, der weiß, was er will. Es folgt exzessiver Tabak- und Alkoholkonsum, anschließend ein Besuch bei der Geliebten. Am nächsten Tag steht ein Meeting mit den Chefs von Lucky Strike an. Noch immer besitzt unser Protagonist keinen Plan, er blättert in leeren Akten. Doch dann schüttelt er in letzter Minute den Slogan »It’s Toasted« aus dem Ärmel. Wer ist dieser Mann? Don Draper heißt er und er ist einer dieser Männer, die nur Mad Men genannt werden, weil sie ihr Geld in Werbeagenturen in der Madison Avenue verdienen.

Gerade einmal ein halbes Jahrhundert befindet sich die Handlung von Mad Men in der Vergangenheit. Aber es wirkt, als läge diese Epoche noch ein ganzes Stück weiter zurück in der Geschichte. Etwas seltsam Nebulöses umweht diese Zeit, als wäre es eine Ära, deren Existenz wir schon lange vergessen hätten. Eine Ära, die unsere Eltern nur noch am Rande in ihrer Kindheit miterlebt haben und die für unsere Großeltern schon zu unbedeutend war, um noch ausgiebig davon zu berichten. Genau deshalb wirkt die Serie auch eher wie gelebter Geschichtsunterricht anstatt reiner Unterhaltung.

Es war ein Geniestreich, die Hauptfigur an einer Karriere in der Werbeindustrie festzumachen. So wird nicht nur die damalige Gesellschaft beleuchtet, sondern auch ihr langsames abdriften in eine Konsumkultur, begleitet von stets neuen technischen Errungenschaften. Don Draper selbst ist ein Self-Made-Man. Seine Ursprünge liegen in einer Farmerfamilie irgendwo im Mittleren Westen. Durch Zielstrebigkeit, Hartnäckigkeit und Betrügereien hat er es schließlich ins neue Bürgertum geschafft. Er ist der Inbegriff der Spießigkeit, doch auch ihn erreichen die Ausläufer der gerade aufflammenden Gegenkultur. »Ich träumte, ich würde Liebe machen mit Fidel Castro,« ruft ein junges, weibliches Mitglied eines Beatnik-Clubs, bevor sie sich auf Wunsch eines männlichen Zuschauers die Kleider vom Leib reißt.

Solche Szenen sind freilich absolute Ausnahme. Der Alltag ist geprägt von tief verankertem Sexismus und Rassismus. Die Männer sind pausenlos mit Rauchen und Trinken beschäftigt, während die Frauen in neugebauten Eigenheimen ihre Sprösslingle großziehen, die erst viel später Scheidungskinder werden sollen. Erst dann nämlich, wenn schlussendlich doch eine der zahlreichen Affären ihrer Ehemänner auffliegt. Solche Oberflächlichkeiten hören dort auf, wo die grandiose Schauspielarbeit der Darsteller zum Tragen kommt und ein Stück weit Verständnis für diese Lebensverhältnisse einfordert. Die Dramaturgie spielt sich auf emotionaler Ebene ab. Angehörige von gesellschaftlichen Randgruppen werden feinfühlig porträtiert. Die bis ins letzte Detail famose Ausstattung verschlingt zu Recht ein Millionenbudget.

Sehr viel greifbarer wird die Welt der sechziger Jahre auch durch diese Serie nicht. Zu unwirklich scheint dieses Leben, das dem Vergleich zur heutigen Zeit in keiner Weise standhalten kann. Doch wir dürfen gerne staunen. Und schmunzeln. So viel kann sich ändern in nur fünfzig Jahren.

Nach fast einundhalb Jahren Abwesenheit kehrt Mad Men heute Abend mit der nunmehr fünften Staffel endlich wieder auf die Bildschirme der Welt zurück. Wir können uns glücklich schätzen, dass es überhaupt noch einmal so weit gekommen ist. Vorerst erfolgt die Ausstrahlung nur über den amerikanischen Kabelsender AMC, doch da gewohnheitsgemäß sehr viel Zeit vergeht, bis hochrangige Serien auch in Deutschland ankommen, empfiehlt sich wie immer der Genuss des Originals über einen Streaming-Anbieter eurer Wahl.

Florian Lehmuth
26. März 2012
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