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Serienwahn: Vegas [Werbepause]

Vegas Dennis Quaid Michael Chiklis CBS

© CBS

Der Western steht seit einiger Zeit wieder hoch im Kurs auf Leinwänden aller Art. Das zeigt sich beispielsweise durch die jüngsten Werke der Coen-Brüder oder Tarantinos Django Unchained; nicht zuletzt werden auch Serien wie Breaking Bad als Renaissance des Genres gewertet. In etwas kleinerem Umfang wird auch dem alten Gangsterfilm neues Leben eingehaucht, sei es durch Lawless aus dem letzten Jahr, den vor kurzem angelaufenen Gangster Squad oder HBOs gefeiertes Boardwalk Empire.

Zuletzt feiern Film und Fernsehen die sechziger Jahre momentan wie kein anderes Jahrzehnt als goldenes Zeitalter, in dem der Grundstein zu unserem heutigen Wohlstand gelegt wurde, der erst durch die Finanzkrise erstmals richtig erschüttert wurde. Ausdruck dieses Gedankens sind TV-Formate wie Mad Men und Pan Am oder der preisgekrönte Kinofilm American Gangster.

Hier schließt sich der Kreis, denn Nicholas Pileggi war als ausführender Produzent an diesem Werk beteiligt, hat das Drehbuch für den Klassiker Goodfellas geschrieben und obendrein mit Vegas eine neue Sendung fürs amerikanische Fernsehen geschaffen. Sie versucht, die verschiedenen Einflüsse aus Neo-Western, Mob-Film und historischem Drama unter einen Hut zu bekommen, eine Serie aus der Retorte also, die in einer Krisensitzung der Sendeleitung mit starkem Blick auf die Zuschauerquote konzipiert worden scheint. Eine Serie, die darin scheitert, höheren Ansprüchen gerecht zu werden, obwohl sie sich einer nicht ganz uninteressanten realen Vorlage bedient.

Doch beginnen wir von vorn: Die Eröffnungszene wird eingeleitet von den Worten Las Vegas 1960 und überrascht, indem zunächst einmal nur die endlose Prärie Nevadas gezeigt wird. Ein Cowboy reitet ins Bild, vor ihm eine große Kuhherde, die irgendwo hingetrieben werden soll. Doch plötzlich werden die Kühe von einem lauten Tosen erschreckt und stieben auseinander, ein Flugzeug deutet an, dass die Zivilisation nicht weit ist und die Jahreszahl tatsächlich stimmt. Dem unbekannten Reiter mit seinem breitkrempigen Hut geht der Fluglärm gehörig gegen die Rechnung. Er sieht den Betrieb seiner Ranch in Gefahr, eilt deshalb im Galopp zur Landebahn und lässt erst einmal seine Fäuste ein ernstes Wort mit dem Flughafenpersonal sprechen.

Der Mann heißt Ralph Lamb und wird noch am Abend des selben Tages in das Amt des Sheriffs berufen, um den Mörder einer jungen Frau zu finden. Erfahrungen hat er während des Kriegs bei der Militärpolizei gesammelt, zur Annahme seiner neuen Stellung lässt er sich allerdings nur berufen, damit im Gegenzug die Flugrouten nicht mehr über seine Ranch verlaufen. Clark County hat einen neuen Beauftragten für Recht und Ordnung, während die Metropole der Region mit atemberaubender Geschwindigkeit wächst und sich wie kein anderer Ort einen Ruf für Sex, Spiel und Sünde aufbaut: Willkommen im sagenhaften Las Vegas.

Am ersten Tag von Lambs neuer Karriere landet ein weiterer Mann in der Stadt, der schnell zu seinem Gegenspieler wird. Vincent Savino ist Gesandter der Mafia in Chicago und soll die Leitung eines brandneuen Casinos übernehmen, dem Savoy. Verkörpert wird Savino von Michael Chiklis und manifestiert sich dadurch als nur ein weiteres Exemplar aus einer endlosen Kette von Bösewichten, deren wahre Absichten durch Vollglatze und füllige Figur verraten werden. Chiklis feierte einen Höhepunkt seiner Laufbahn mit der Darstellung eines Felsens und spielt dennoch deutlich ausdrucksstärker als sein Counterpart, der von Dennis Quaid gemimt wird. Wichtigstes Merkmal des Sheriffs ist seine rauchige Whisky-Stimme, die stellenweise fast die Grenze zur Lächerlichkeit überschreitet, aber wohl zur Unterstreichung seiner immensen Virilität dienen soll.

Die Wege von Lamb und Savino werden sich nun in jeder Folge im Casino kreuzen. Allen ist klar, dass die Spielhalle der organisierten Kriminalität zur Geldwäsche dient, aber die Chefetage der Mafia lässt sich partout nicht dingfest machen. Ganz im Gegenteil werden die Grenzen zwischen Gut und Böse ein wenig verwischt, indem der Polizist oft etwas übereifrig ans Werk geht und auf Vorschriften pfeift. Andererseits möchte der Ganove sein Unternehmen auf eigene Faust vergrößern und entfernt sich dadurch von den Freunden in Chicago. Ansonsten gibt es jedoch wenig Bewegung in der Figurenkonstellation.

Während also die Rahmenhandlung stagniert, ist der Sheriff mit Unterstützung von Bruder und Sohn damit beschäftigt, in jeder Folge genau ein kleineres Verbrechen aufzuklären. Die Zuseherschaft kann anschließend beruhigt ins Bett fallen. In Vegas darf der Cowboyhut bei keinem echten Mann fehlen, ebensowenig die Schrotflinte, mit der auch viel geschossen wird. Natürlich sind immer wieder auch Frauen zu sehen, sie müssen sich in dieser männerdominierten Welt aber stets unterordnen und verkommen so zum schmückenden Beiwerk.

An dieser Stelle zeigt sich auch die größte Schwäche von Vegas: Selbstreflexion ist das wichtigste Merkmal von hochklassigen TV-Produktionen der Gegenwart und Ausdruck der Reife des Mediums, doch bei dieser Serie spürt man nichts davon. Mit der Zukunft des Fernsehens hat das nichts zu tun. Stumpfsinniges Geballere und striktes Schwarzweiß-Denken hat vielleicht noch zu Zeiten von Miami Vice in den Achtzigern funktioniert, aber heute werden Erzählungen zumeist auf Meta-Ebenen gehoben. Mad Men übt beispielsweise einen sehr spielerischen Umgang mit Geschlechterrollen, ohne dabei die sexistische Realität der Nachkriegsgesellschaft zu leugnen. Schuld, Sühne und Moral werden nuanciert betrachtet, Menschen nicht in Kategorien unterteilt.

Das muss nicht heißen, dass ein Format wie Vegas aus wirtschaftlicher Sicht nicht mehr funktionieren kann. Die Zuschauerzahlen sind ordentlich, CBS dürfte es besonders auf die ältere Bevölkerungsgruppe abgesehen haben. Bei Preisverleihungen ist die Situation dagegen eine andere: Die ehemaligen Großen Drei ABC, NBC und CBS haben ihre besten Tage hinter sich, bei den Emmys können sie nur noch im Comedy-Bereich gegen das Kabelfernsehen bestehen. Qualität hat eben ihren Preis und ist mittlerweile überwiegend bei Bezahl-Sendern wie HBO oder Showtime zu finden. Doch damit will ich nicht leugnen, dass manche auch mit Vegas ihre Freude haben könnten: Seien es Casino-Freunde, Retro-Fans oder Western-Anhänger. Stilvoll fotografiert ist die Serie allemal.

Ralph Lambs gibt es übrigens wirklich. Er ist mittlerweile über achtzig, erfreut sich aber guter Gesundheit. Den Posten des Sheriffs hatte er von 1961 bis 1979 inne und erarbeitete sich in dieser Zeit mit seiner harten Vorgehensweise den Ruf des gnadenlosen Gesetzeshüters, der auch die Konfrontation mit berüchtigten Mafia-Bossen nicht scheute. Sein Ansehen blieb jedoch nicht dauerhaft so hoch, wie es derzeit auf dem Bildschirm dargestellt wird. In den 70er-Jahren wurden Korruptionsvorwürfe gegen ihn erhoben, er wurde wegen Steuerhinterziehung angeklagt und freigesprochen, schlussendlich aber trotzdem aus dem Amt gewählt. Das änderte aber nichts daran, dass er nach wie vor von vielen Kollegen respektiert wird. Lamb lebt noch immer auf seiner Ranch im Norden von Las Vegas. Aufs Pferd schwingt er sich heute allerdings nicht mehr.

Vegas nähert sich in den USA gerade dem Ende seiner ersten Staffel. Ob es auch zu einer Ausstrahlung in Deutschland kommen wird, ist bisher noch nicht bekannt.

Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit der Hansen-Mediengruppe. Ich habe dafür eine finanzielle Gegenleistung erhalten.
Florian Lehmuth
22. März 2013
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