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Social Media als Erfüllung: Videointerview mit Moritz Kempf

Moritz Kempf

Er könne die Hysterie um die NSA-Enthüllungen nicht verstehen, twittert Moritz von der diesjährigen re:publica. Ich kenne ihn zu diesem Zeitpunkt noch nicht, kann mich aber doch nicht mit einer frechen Antwort zurückhalten. Mehr lesen, empfehle ich, das wird schon noch. Am nächsten Tag stehen wir uns dann persönlich gegenüber – und stellen fest, dass unsere Ansichten keineswegs unvereinbar sind.

Moritz Kempf ist Social-Media-Berater. Als Junge mit Ideen sorgt er dafür, dass Unternehmen transparenter werden und mit ihren Kundinnen ins direkte Gespräch treten. Das finde ich großartig. Um unnötige Hürden abzuschaffen wurde das Internet schließlich erfunden. Niemand kann leugnen, dass die Massenüberwachung ein massives politisches Problem darstellt. Aber deshalb unseren Optimismus aufgeben? Nicht mehr an die leuchtende Zukunft denken, die mit einer vernetzten Gesellschaft möglich wäre? Niemals! Dank Menschen wie Moritz kommen wir dieser Zukunft jeden Tag ein Stückchen näher. Ich habe mich genauer nach seinem Beruf erkundigt und bekam als Antwort ein schickes Video, das ich euch nicht vorenthalten möchte. Vielen Dank!

Florian: Könntest du dich bitte kurz vorstellen? Wer bist du und was ist dein Beruf?

Moritz Mein Name ist Moritz Kempf; ich bin jetzt 29 Jahre jung und mit einer kleinen Pause seit acht Jahren selbstständig. Meine jetzige Firma macht Social-Media-Kommunikation. Ich komme vom Bodensee und meine Firma ist in Langenargen angesiedelt, circa zwei Minuten vom See entfernt. Ihr müsst aber nicht neidisch sein: Ich sitze die meiste Zeit im Büro und nicht am Wasser.

Von welchem Beruf hast du in der Schule geträumt?

Um ganz ehrlich zu sein: von keinem. Ist das schlimm? Ich kann mich an keinen Beruf erinnern, den ich mir gewünscht hätte.

Was ist deine Einstellung gegenüber formaler Bildung?

Diese Frage habe ich schon sehr oft diskutiert. Um es auf den Punkt zu bringen: Ich glaube, das Schul- und Ausbildungssystem bringt Menschen bei, es gebe auf jede Frage nur eine richtige Antwort. Ein wenig wird einem dadurch das kreative Querdenken abtrainiert, das Ausbrechen. In meiner Branche ist diese Fähigkeit extrem gefragt. Kleiner Tipp: Auf unserem Blog kann man nachlesen, wie ich das Thema als Dozent an der DHBW Ravensburg mit Studierenden gehandhabt habe.

Welche Jobs hattest du in deinem Leben, angestellt und selbstständig?

Wie schon erwähnt, bin ich seit acht Jahren selbstständig. Da hatte ich nicht viel Zeit, angestellt zu sein. Neben Ferienjobs hatte ich eine Teilzeitanstellung, die es mir zu Beginn der Selbstständigkeit ein wenig einfacher gemacht hat, meine Fixkosten zu decken. Das waren vier Stunden pro Tag, in denen ich für einen Kunden tätig war. Es ging um Illustrationen – klassische Illustrationen, CAD, diese Richtung.

»Das Schulsystem bringt Menschen bei, es gebe auf jede Frage nur eine richtige Antwort«

Welche Rolle spielt Geld in deinem Leben?

Geld ist das Allerwichtigste in meinem Leben. Ohne die Möglichkeit, etwas zu verdienen, stehe ich morgens gar nicht erst auf. Ich freue mich auch schon darauf, mir irgendwann meinen Porsche leisten zu können und vielleicht auch meine Yacht. Wenn nicht, dann werde ich wahrscheinlich mein ganzes Leben lang unglücklich sein. Nein, Spaß.

Geld ist für mich eigentlich nur ein Tauschmittel. Ich habe Spaß an dem, was ich tue, und ich bin froh, wenn ich dafür bezahlt werde. Ich muss selbstverständlich darauf achten, dass meine monatlichen Fixkosten gedeckt werden. Dafür muss man ein Bewusstsein entwickeln, welche Dinge nötig sind und welche nicht. Ich habe kein Problem damit, selbst für mich zu kochen oder einfach wenig Geld auszugeben. Im Gegensatz dazu kann ich auch einmal ausgiebig Shoppen gehen. Geld hat keinen hohen Stellenwert für mich. Mir ist es wichtiger, auf andere Werte zu achten. Also vergesst bitte, was ich zuerst gesagt habe.

Wofür arbeitest du? Was ist deine Motivation?

Hm. Warum stehe ich jeden Morgen auf und sehe zu, dass ich pünktlich im Büro bin? Seit ich denken kann, hatte meine Leben immer mit Kreativität zu tun. Mal mehr, mal weniger. Ich war schon immer ein bisschen ein Spinner, jemand der ausbricht, der testet. Mit meinem Verhalten habe ich in jungen Jahren immer meine Grenzen getestet und auf kreative Weise Streiche gespielt. Das hat mich dann zu der Frage geführt: Wo liegt eigentlich meine Leidenschaft? Was mache ich am liebsten? Und da bin ich glücklicherweise nach meinem Gefühl gegangen, sodass ich jetzt hier sitzen und sagen kann: Das, was ich mache, macht mir richtig Spaß.

Warum ich Social-Media-Kommunikation betreibe und Firmen nahelege, sich im Internet die Medienbandbreite zunutze zu machen? Ich glaube einfach, dass eine Firma durch echten Mehrwert ihrer Produkte und Dienstleistungen am Markt eine ziemlich gute Position erreichen kann. Dazu zählen auch die Beweggründe, warum die Unternehmerin diese Firma überhaupt einmal aufgebaut hat. Manipulatives, negatives, aufgesetztes oder sogar verlogenes Marketing ist nicht mein Ding. Und ich weiß, in welcher Branche ich mich hier bewege. Ich bin gespannt, wie weit ich da mit meiner Einstellung komme.

»Manipulatives Marketing ist nicht mein Ding«

Welche Rolle spielt für dich der Ort, an dem du arbeitest?

2011 war ich auf einer sehr ausführlichen Reise, die mich auch nach Costa Rica führte. Ich hätte schon den Wunsch, von meinem damaligen Hostel aus zu arbeiten. Die WLAN-Verbindung war ausgezeichnet. Leider muss ich hier einen Mythos der Online-Branche aufdecken: Das geht nicht. Ich muss und will mit Menschen kommunizieren, das heißt: Auge um Auge, direkt gegenüber. Ich brauche einen Standort, an dem ich erreichbar bin. Ich muss spontan zu Besprechungen vorbeikommen können. Wir sind noch nicht so weit, dass wir uns nur noch über Skype oder Facebook vernetzen und nur noch auf diese Weise miteinander “sprechen”.

Wie sieht eine durchschnittliche Woche für dich aus? Gibt es die überhaupt?

Ja, die gibt es. Ich bemühe mich, ein Wochenende zu haben, sonst bekomme ich Ärger mit meiner Freundin. Im Normalfall dauert ein Arbeitstag bei mir zwischen zehn und manchmal auch vierzehn Stunden. Ich bin mit meiner Firma und auch dem noch sehr erklärungsbedürftigen Produkt Social Media in einer Phase, in der ich mich nicht zurücklehnen und den Mitarbeitern zusehen kann, wie sie die Aufgaben für mich erledigen. Ja, da muss man ein wenig buckeln. Viele denken, dass Selbstständige tun und lassen können, was sie wollen. Dass sie Urlaub machen können, wann sie möchten. Das stimmt. Wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich schönes Wetter, Sonnenschein. Ich könnte zum See flanieren, um vierzehn Uhr, und mit der Badehose ins Wasser springen. Allerdings würde mir diese Zeit dann woanders fehlen und ich müsste sie aufholen. So einfach ist die Zeitplanung also nicht.

»Persönliche Kommunikation ist mir nach wie vor am liebsten«

(Wie) Trennst du zwischen Beruflichem und Privatem?

Ich finde sehr gut, dass das “Wie” in Klammern steht. Ich kann das nicht trennen. Ich hole mir meine Inspiration auch in privaten Gesprächen oder wenn ich durch die Stadt laufe. Allein durch die Dinge, die ich sehe und erlebe. Ich mache nicht den Fehler, den ich schon oft beobachtet habe, mich im Privaten über meine Arbeit zu definieren. Aber meine Arbeit ist ein Stück meiner Lebenserfüllung und gehört dementsprechend auch zu meiner Identität. Daher kann ich nicht trennen, das gelingt mir nicht.

Du verdienst dein Geld mit Kommunikation. Welches Kommunikationswerkzeug nutzt du selbst am liebsten?

Kein Facebook, kein Twitter, kein Skype. Keine E-Mails, kein handgeschriebener Text, keine SMS. Mein Lieblingskommunikationswerkzeug ist mein Mund. Und zwar im Raum mit anderen Menschen, live und ohne digitalen Medieneinsatz. Es ist immer noch so, dass die Online-Kommunikation wunderbar funktioniert. Ich kann in Skype Videotelefonie nutzen und auch ihr seht mich gerade in einem Video und könnt mich greifen. Allerdings ist es nicht dasselbe, wie wenn mir die Person direkt gegenübersitzt. Da spielen noch andere Dinge eine Rolle, die ich so nicht greifen kann. Manche würden dass als Energie bezeichnen oder als unterbewusstes Stimmbild, Gestik und Mimik … Ich möchte es auf nichts reduzieren. Wie gesagt, persönliche Kommunikation ist mir nach wie vor am liebsten.

Was möchtest du erreicht haben, wenn du dich eines Tages in den Ruhestand verabschieden wirst?

Naja, Ruhestand. Momentan gilt die Rente mit 63. Das ist ferne Zukunft. Wenn ich mir vorstelle, ich werde mich irgendwann zur Ruhe setzen, dann möchte ich nicht sagen müssen: Ich habe mich versklavt, mich nur des Geldes oder der Familie wegen verbogen oder dumm und dusselig gearbeitet. Mir ist extrem wichtig, dass ich die Arbeit, die ich verrichte, selbst nicht als Arbeit sehe sondern eher als etwas, das mir Spaß bereitet. Mir fällt es nicht schwer, morgens aufzustehen, auch wenn es manchmal um fünf oder sechs Uhr ist. Ich fahre ins Büro und arbeite, weil es für mich Erfüllung darstellt.

Florian Lehmuth
18. Juli 2014
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