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CD-Review: The Year Of Hibernation (Youth Lagoon)

Youth Lagoon Trevor Powers

© Cecilia Majzoub

Zweitausendelf ist endgültig vorüber, doch ich sitze immer noch an seiner Aufarbeitung. Der musikalische Jahresrückblick dürfte demnächst endlich vollständig sein, doch ich entdecke immer noch neue Alben und großartige Künstler, die ich in den letzten Monaten einfach gnadenlos verpasst habe. Zum Beispiel, als Marcel am Mittwoch ein neues Musikvideo zum Track “July” postete und schrieb: »Besser hätten wir den temporären Soundtrack unseres Lebens nicht wählen können.« Ein Link führte zum anderen und plötzlich war ich tief versunken in der Musik Trevor Powers’, der sich auf der Bühne nur Youth Lagoon nennt.

Das fantastische Erstlingswerk des 22 Jahre jungen Englisch-Studenten aus dem beschaulichen Boise in Idaho nennt sich “The Year of Hibernation” (Simfy) und ist irgendwo zwischen Indie-Rock und Dream-Pop angesiedelt. “Fantastisch” gilt jedoch nicht nur für die Qualität, sondern für die ganze surreale Anmutung; die Remineszenzen an Beach House bis hin zu Animal Collective sind deutlich zu spüren. Ich habe 2011 mehr neue Musik gehört als je zuvor. Trotzdem konnte ich mich nicht auf das eine Album festlegen, das alle meine Erfahrungen und Erlebnisse des ganzen Jahres in allen Facetten widerspiegelt. Inzwischen bin ich mir ziemlich sicher, das Youth Lagoon die Suche beendet hat.

Ich glaube an Wiederholungen. Es überwältigt mich jedes Mal aufs Neue, ein mitreißendes Thema sich langsam, aber stetig steigern zu hören. Genau das geschieht in allen Songs, allen voran aber “Montana”. Powers versteht es, Spannungsbögen aufzubauen. Momente grenzenloser Vorfreude. Was auf die einzelnen Songs zutrifft, gilt auch für das ganze Album: Es ist in seiner Unaufgeregtheit sehr schwer, den passenden Zugang zu finden. Und doch enthalten die Lieder etwas, das einen hängenbleiben lässt. Es mag die unwirkliche Stimme des Sängers sein, die sich niemals aufdrängt und sich bewusst in den Hintergrund stellt, oder die schemenhafte, spärliche Instrumentierung, die dennoch auf mehreren Ebenen funktioniert.

Der mehrstimmige, verzerrte Gesang in “Cannons” trifft mich jedes Mal mit voller Wucht. Das schon erwährte “July” gewinnt Schritt für Schritt an Komponenten hinzu, bis es am Schluss in einem fulminanten Feuerwerk endet. “17” ist der Song über den erkenntnisreichen Schritt in die Adoleszenz, den mit Sicherheit jeder Künstler auf seine eigene Weise schreiben muss. »When I was seventeen, my mother said to me: “Don’t stop imagining. The day that you do is the day that you die.”«

Man muss diesem Mann gut zuhören, und das mehr als einmal. Er erzählt Geschichten von jugendlicher Sehnsucht und dem Gefühl des Verlorenseins. In seiner Selbstbeschreibung wird konstatiert »Hidden beneath the melodies is a voice that is eerie yet nostalgic. Powers claims his music is like letting people read his journal. “I don’t think I could ever write a completely happy album. It’s not that I’m not a happy person,” claims Powers, “but I just have too many things in my mind that haunt me.”« An anderer Stelle bemerkt er: »I just wanted to write honest songs. So much music nowadays is really shallow. There’s not much heart or emotion in it.«

“The Year of Hibernation” ist ein gutes Stück leiser und unaufdringlicher als alle anderen Veröffentlichungen im letzten Jahr. Aber in seiner Andersartigkeit irgendwie auch ein gutes Stück besser.

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Florian Lehmuth
7. Januar 2012
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