Proudly made on earth

Breaking Bad S05E10: Buried

Breaking Bad S05E10 Walt

© AMC

Im Jahr 1818 veranstaltete der junge englische Dichter Percey Shelley eine besondere Art von Wettbewerb. Anlässlich der Ausgrabung eines gigantischen Kopfes von Pharao Ramses II, Teil einer kompletten Statue, die der Legende nach nahe der antiken ägyptischen Stadt Theben gefunden wurde, forderte er seinen Freund und Kollegen Horace Smith heraus, ein Gedicht über dieses Kunstwerk zu schreiben. Shelley ließ seiner Fantasie freien Lauf, hatte er die Skulptur, die einige Jahre später als Ausstellungsstück im Britischen Museum landen sollte, doch nie zu Gesicht bekommen. Trotzdem glänzt sein Sonnet unter dem Titel Ozymandias mit seiner lebendigen Sprache und wurde von der Geschichte zum eindeutigen Gewinner gekürt.

Nicht nur seine erzählerische Güte, sondern vor allem sein moralischer Appell machen das Gedicht zu etwas Besonderem. Gezeichnet wird das Bild eines rücksichtslosen Herrschers, der sein Volk zwar zu neuen Höhen lenkte, sich aber von der Macht hat blenden und zum Größenwahn verführen lassen. Der Bildhauer verstand es, den Hohn und den Spott in seinen Zügen kunstvoll einzufangen und für die Nachwelt zu konservieren. In Shelleys Sonnet stößt ein Reisender auf die beiden Beine des Königs, die ohne Rumpf einsam in der Wüste stehen, der lose Kopf daneben im Sand. Eine Inschrift auf dem Sockel mahnt: »My name is Ozymandias, king of kings: Look on my works, ye Mighty, and despair!«

Ein Bildnis von Hohn und Spott

Doch die Herrschaft des Riesen war von begrenzter Dauer, das Denkmal seiner einstigen Pracht erinnert nunmehr nur noch an seine verkommene Hybris. »Nothing beside remains. Round the decay of that colossal wreck, boundless and bare, the lone and level sands stretch far away.« Sätze, die maßgeschneidert für Heisenberg zu sein scheinen, dessen glanzvolle Fassade längst zu bröckeln begonnen hat. Sätze, die von Bryan Cranston im Trailer zu den neuen Folgen aus dem Off gelesen werden, während die endlose Wüste New Mexicos gezeigt wird. Sätze, die angesichts der aktuellen Entwicklung höchst relevant sind und auch später noch von Bedeutung sein werden, wenn drittletzte Folge mit dem Namen Ozymandias ausgestrahlt wird.

In Buried erfahren wir bereits, welches Andenken Walter White der Nachwelt hinterlassen wird. Keine eitle Statue, die offen von den Taten des Porträtierten erzählt. Sechs metallene Fässer von stattlichem Gewicht sind in der roten Erde Albuquerques versteckt, jedes davon bis zum Rand mit bedruckter Baumwolle gefüllt. Rings umher dehnen sich die kahlen Felsen aus, die die Sterblichen noch lange überleben werden. Heisenbergs Vermächtnis besitzt eine geringe Halbwertszeit, es ist der ständigen Bedrohung von Entdeckung, Beschlagung, Vernichtung, Inflation und Währungsreform ausgesetzt. Doch Shelleys Gedicht lehrt uns ohnehin, dass nicht das Materielle überdauern kann. Es ist die Geschichte der Verrohung, erzählt von denjenigen, die sich einen unvoreingenommenen Blick bewahrt haben, die bis in alle Ewigkeit existieren wird.

Hank kennt diese Geschichte bereits, wenn ihm auch noch einige Details verborgen sind. Doch es wird deutlich, dass er Walt mit den wenigen Bruchstücken seiner kriminellen Historie, für die er überhaupt Beweise besitzt, nicht dingfest machen kann. Skyler weiß das noch nicht, als Hank seinen Schwager im Duell um das schnellere Ziehen des Mobiltelefons schlägt und sie zu einem Gespräch bittet. In dieser Unterhaltung stellt sie dann aber sehr schnell fest, dass Hank dringend ihre Aussage als Kronzeugin benötigt, um belastendes Material gegen Walt vorbringen zu können. Als sie ihr Geständnis verweigert, wird Hank klar, auf wessen Seite sie wirklich steht; ihre raffiniert konzipierte Szene im Diner macht sie jedoch auch erstmals der kriminellen Brillanz ihres Mannes ebenbürtig.

Es wird weitergekocht

Mit Jesse kennt eine weitere Person die ganze Geschichte und ist kurz davor, sie auszuplaudern. Nachdem er in der vorigen Woche große Probleme hatte, sich das belastende Blutgeld von der Seele zu schaffen, sah er den einzigen Ausweg darin, fremde Menschen in der Vorstadt mit dem Geldsegen zu beglücken. Noch ist nicht klar, ob hinter dieser Aktion allein persönliche Gründe standen. Jesse hat immer wieder bewiesen, dass auch er durchaus zu sehr intelligenten Manövern fähig ist. Seine mutwillige Entdeckung als Wohltäter mit Taschen voller ungewaschenem Geld würde ihm den idealen Anlass bieten, zum Tausch für seine Freiheit Heisenberg auszuliefern. Vorerst endet die Eskapade als schlechter Traum, der ohne Konsequenzen bleibt. Hank aber erkennt eine neue Chance.

Andernorts bahnen sich neue Spieler mit Kugeln ihren Weg. Walt und Jesse mussten einst auf sehr grausame Art und Weise lernen, dass ein verlassener Schrottplatz als Treffpunkt für brisante Geschäfte ungeeignet ist. Declan und seine Leute bezahlen mit ihrem Leben, weil sie ihr Meth-Labor am falschen Ort errichtet haben. Allem Anschein nach befindet sich Lydia selbst in einer ausweglosen Lage; ihr Abnehmer in Tschechien beklagt Ausfälle in Höhe von fünfzig Millionen Dollar. Um nicht selbst dem niedrigen Reinheitsgrad zum Opfer zu fallen, wagt sie sich in die Offensive: Todd soll es wieder einmal richten. Lydia tritt als besonnene Geschäftsfrau die Nachfolge von Gus Fring an. Sein Lebenslauf lehrt sie jedoch, dass sich die Distanz zum schmutzigen Geschäft auch mit größten Anstrengungen nicht lange halten lässt.

Das Kochen konstituiert das Lebensgefühl von Breaking Bad. Solange Crystal produziert wird, verläuft das Leben der Protagonisten einigermaßen ruhig und stabil. Werden allerdings Änderungen am Prozess vorgenommen, ergeben sich fatale Folgen. Walt mag aus dem Geschäft ausgestiegen sein, doch solange noch jemand aus seinem alten Umfeld sein persönliches Rezept nachkocht, schweben seine Familie und er in unveränderter Gefahr. Todd hat sich als kaltblütiger, aber verlässlicher Profi herausgestellt. Zusammen mit der rücksichtslosen Gang seines Onkels bildet er einen nicht zu unterschätzenden Risikofaktor, der zu eskalieren droht, sollte Lydia aus der Rechnung verschwinden und er die Macht an sich selbst reißen.

Zweite Chancen

Walt hat sich im letzten Jahr alle Mühe gegeben, mit losen Enden aufzuräumen. Die bewusste Entscheidung, Hank trotz seiner Entdeckung am Leben zu lassen, stellt einen Bruch mit seinem gnadenlosen Kurs der Vergangenheit dar. Menschen, die ihm zur Bedrohung werden könnten, gibt es zur Genüge, doch Walt hat die Bemühungen aufgegeben, mit allen Mitteln für seine Unantastbarkeit zu sorgen. Mit der Rückkehr des Krebses fehlt ihm dazu schlichtweg die Kraft. Stattdessen arrangiert er, das GPS-Gerät zur Hand, mit sprichwörtlich minutiöser Akribie die Hinterlassenschaften für seine Kinder.

Als er nach einem anstrengenden Tag in der Wüstensonne nach Hause zurückkehrt, wiederholen sich Szenen, die sich ganz am Anfang der Serie abgespielt haben. Skyler hat gerade erst vom Gebrechen ihres Mannes erfahren und leidet mit ihm. Walt kommt erst im Morgengrauen nach Hause, ganz offensichtlich betreibt er hinter dem Rücken seiner Frau obskure Unternehmungen. Die schrecklichen Ereignisse des vergangenen Jahres sind vergessen; Walt bekommt noch einmal die Chance, Skyler von seinen Absichten zu überzeugen, und macht dafür große Zugeständnisse. Skyler bekommt noch einmal die Möglichkeit, sich für ihren Mann zu entscheiden, und verzichtet auf seinen Kompromiss. Für Walt verläuft in diesem Moment alles exakt nach Plan.

Florian Lehmuth
1. September 2013
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