Proudly made on earth

Breaking Bad S05E11: Confessions

Breaking Bad S05E11 Jesse

© AMC

Eine Hose, die im Wind flattert. Ein Wohnmobil, das durch die Wüste rauscht. Eine Waffe im Hosenbund, eine Videokamera, ein Geständnis: »My name is Walter Hartwell White.« Der Mann zeigt in all seiner Verzweiflung Aufrichtigkeit. Er erkennt seine Verfehlungen, aber er will die Konsequenzen ziehen. Er ist bereit, durch seine eigene Hand zu sterben. Reine Tränen laufen ihm in seiner Abschiedsrede über das Gesicht. Es mag zunächst nicht auffallen, doch der Abschied ist echt. Den Mann, den sie Walt nannten, gibt es nicht mehr. Der Mensch, der von seinem Gewissen gelenkt wurde, ist spurlos im unendlichen Sand New Mexicos verschwunden.

56 Folgen später wird die Täuschung aufgedeckt. Walt beweist ohne Frage sein kriminelles Genie, als er reale Ereignisse zu einer zweiten Wahrheit verknüpft, in der Hank der Bösewicht ist. Bei aller Gerissenheit hat er jedoch übersehen, welches Licht die Erzählung auf ihn selbst wirft. Seine Frau und seine Kinder verkommen zu bloßen Marionetten, die eingesetzt werden, wenn Walts Plan ins Wanken gerät. Skyler bekommt einen direkten Einblick in seine Doppelmoral. Bisher versuchte Walt mit allen Mitteln, nicht passende Fragmente der Wahrheit zu einem schlüssigen Bild zusammenzukitten. Nun sät er bewusst Zweifel an dieser Realität und bringt sein Umfeld dazu, seine Vorstellung von ihm zu hinterfragen. Der einzige, dem die offensichtlichen Unstimmigkeiten noch nicht aufgefallen sind, ist Walt selbst.

Verräterische Falschaussagen

Confession ist voll solcher falscher, aber entlarvender Geständnisse. Den Anfang macht Todd, der vor seinen Freunden mit dem Überfall auf den Güterzug prahlt. In seiner Wahrnehmung ist der Raub ein voller Erfolg: »It was the biggest train heist ever, like, potential money-wise.« Indem er den Mord an Drew Sharp auslässt, verrät sich Todd gegenüber den Zuschauern als Soziopath, der Menschenopfer für einen legitimen Aspekt des Geschäftemachens hält. Der Anfruf bei Walt verdeutlicht sein Bedürfnis nach Anerkennung. Gleichzeitig kann er als Warnung verstanden werden: Der Sog des Bösen ist stärker als Walts Wille, ihm zu entkommen. Todd und Lydia bekommen, was sie wollen. Und sie wollen das beste Meth des Südwestens.

Jesse muss sich für seinen verschwenderischen Umgang mit Geld rechtfertigen, obwohl er eigentlich nur helfen wollte. Das ist sein Schicksal: Getrieben von guten Absichten, aber nicht imstande, sie zu verwirklichen. Allerdings ist Jesse längst nicht so naiv, wie er anfangs dargestellt wurde. Seit Monaten überlegt er, wie er mit seiner Vergangenheit abrechnen kann. War seine Festnahme womöglich kalkuliert? Sucht er nur einen Vorwand, um Walt zu verraten? Als Kronzeuge könnte er selbst mit Straffreiheit rechnen und im Gegenzug an Walt Vergeltung üben. Mit den fünf Millionen wäre obendrein jedes Beweismaterial verschwunden, das ihn mit Heisenberg verbindet. »I think you wanna talk,« mutmaßt demnach auch Hank. Die Antwort lautet: »Not to you.«

Die Verhörszene ist so gefilmt, dass man teilweise sowohl Jesse als auch Hank hinter Gittern sieht. Sie sind gefangen zwischen zwei Extremen: Einerseits die bequeme Welt, in der sie ihr Wissen für sich behalten können und keine Turbulenzen fürchten müssen. Andererseits die unbequeme Welt, die ihr Leben auf den Kopf stellt und alles zerstört, was sie sich mühsam aufgebaut haben. Ihr Gewissen zieht sie in letztere Richtung. Hank wurde durch Walts Video jeglicher Handlungsspielraum genommen, aber Heisenbergs Unverfrorenheit stachelt ihn in seiner Wut zusätzlich an. Er hat das Gesetz schon mehrfach gebrochen, als er mit konventionellen Ermittlungsmethoden nicht weiterkam. Es ist eine Frage der Zeit, bis auch er sich rachelüstern von seinem Moralkodex verabschieden wird.

Niemand wird verschont

Die Verrohung der Hauptfiguren wird beim Familientreffen in der Taquería wunderbar veranschaulicht. Das Ehepaar in Cremefarben und Beige, zugeknöpft bis zum Kinn, führt geradezu offensiv seine Vorstellung von Normalität auf. Die Kontrahenten haben sich für Dunkelblau und Schwarz entschieden. Nach der Farbtheorie repräsentieren die Kleidungsfarben der Charaktere ihre Gefühlslage oder sagen Wendungen im Plot voraus. Wir wissen, dass die hellen Farbtöne der Whites Fassade sind. Sie sind Ausdruck des Wunsches, in ihr beschauliches Leben zurückzukehren. Doch Walt verrät sich, als er beim Gehen zu seiner Jacke greift. Er liebt es, mit seiner Außenwahrnehmung zu spielen, doch beim näheren Hinsehen sind seine Manöver leicht zu durchschauen.

Die Schraders bevorzugen normalerweise Lila oder Erdfarben. Ihre dunklen Töne verdeutlichen die plötzliche Abscheu gegenüber Walt und Skyler. Sie weisen aber auch darauf hin, dass sie ihren eigenen Anteil an der Familientragödie haben und dabei sind, sich tiefer darin zu verstricken. Marie wirkt auf eine abgeklärte Art noch verbissener als ihr Mann. Für ihre Schwester hat sie kein Mitgefühl mehr übrig. Ihrem Schwager legt sie den Suizid nahe. Es ist neben der Andeutung, die Walt in seinem Video macht, das zweite Mal, dass Selbstmord wieder zum Thema wird. Familienzugehörigkeit ist kein Grund mehr, jemanden zu verschonen. »Just give you guys a few more minutes,« sagt Kellner Trent. Die Bombe tickt.

Jesse, der kurz davor war, Walt zu verraten, ist gegen seinen Willen gerettet worden. So sehr er sich bemüht, er findet keinen Anlass, Walt zu hassen. Er merkt, wie er fehlgeleitet wird, und sehnt sich doch nach den beruhigenden Worten seiner Vaterfigur. Doch Walt entgeht nicht, wie aufgewühlt Jesse ist. Er greift zu der Geheimwaffe, die er selbst in seiner bittersten Stunde in Anspruch nehmen wollte: Dem Neuanfang. Walt erhöht sich einmal mehr zu göttlichem Rang, als er Jesse von seiner Schuld befreit und ihm das Geld zur Verfügung stellt, das er benötigt, um eine neue Existenz aufzubauen. Jesse kann sich dem Reiz dieser Idee nicht entziehen. Was hält in noch in Albuquerque?

Ausstieg unmöglich

Es ist nicht möglich, aus dem Drogengeschäft auszusteigen. Das hat die Vergangenheit zur Genüge gezeigt. Tortuga lief zur Polizei über und kurze Zeit später befand sich sein abgetrennter Kopf auf einer Schildkröte. Jesse und Jane wollten sich nach Neuseeland absetzen. »You can paint the local castles and shit. And I can be a bush pilot.« In der selben Nacht war das Mädchen tot. Walt versuchte, von Gustavo loszukommen, doch sicher war er erst, als er ihn ermordet hatte. Mike hatte vor, sich in seinen wohlverdienten Ruhestand abzusetzen, aber er wurde auf dem Weg in die Freiheit erschossen. Nur Walt soll es scheinbar gelingen, sein altes Leben hinter sich zu lassen. An seinem 52. Geburtstag heißt er Mr. Lambert. Dennoch kehrt er in seine Heimat zurück, um unerledigte Geschäfte zu beenden.

Jesse hat den Ausstieg beinahe geschafft. Erst im letzten Moment stößt er auf den Beweis, der Walts Gedankenkonstrukt zusammenstürzen lässt. Schon einmal war Jesse bereit, Walt für das Vergiften Brocks zu töten. Er war seiner Sache nur nicht sicher genug. Nun ist jeglicher Zweifel verflogen und Jesse geht bis zum Äußersten. Er fürchtet sich nicht vor dem Tod. Das hat er bereits gezeigt, als er mit geladener Waffe auf Gustavos Dealer zuging. Nun hat er einen neuen Gegner, der nach seinen Maßstäben mit dem Leben bezahlen muss. Walt weiß, dass er die Gefahr nicht unterschätzen darf. Diese Auseinandersetzung wird blutig enden.

Florian Lehmuth
24. September 2013
Kategorien:
Schlagworte:

Keine Kommentare

Was sagst du?