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Breaking Bad S05E12: Rabid Dog

Breaking Bad S05E12 Walt

© AMC

Rauch steigt über dem gepflegten Vorort auf. Die Flammen schlagen hoch in den Himmel, als der schwarze Chrysler in sicherer Entfernung zum Stehen kommt. Bevor er aussteigt, kann Walt noch erkennen, wie sich der Wagen Saul Goodmans vom Ort der Katastrophe entfernt. Bestürzte Nachbarn eilen herbei; aus der Ferne nähern sich Sirenengeräusche. Walt macht ein paar langsame Schritte auf das Haus zu, das seiner Familie jahrelang ein Zuhause geboten hatte. Das Gefühl der vollkommenen Hilflosigkeit überkommt ihn. Mit offenem Mund wirft er einen letzten Blick auf das einstige Statussymbol, das einmal seine kühnsten Mittelschichtsträume verwirklicht hatte. Dann erlangt er wieder seine Fassung. Mit bitterer Miene kehrt er unerkannt zum Auto zurück und fährt davon.

Als Skyler von der Tragödie erfährt, verlässt sie ohne eine Minute zu zögern den Bundesstaat und kommt mit den Kindern bei ihren Eltern unter. Walt bekommt ihr Verschwinden kaum mit, weil er vollends von Rache getrieben ist. Er engagiert Todds Onkel und dessen Männer, die Jesse in einem Hinterhalt töten. Doch Walt kann die Killer nicht bezahlen, weil er die Koordinaten seines Geldverstecks vergessen hat. Mit seiner letzten Reserve bei Saul setzt er sich nach New Hampshire ab. Von dort erfährt er, dass Todds Onkel seine Familie ausgelöscht hat. Er begibt sich wieder nach Albuquerque, um ein letztes Mal Vergeltung zu üben.

Walt macht sich lächerlich

So weit, so falsch. Der große Knall bleibt in dieser Woche wieder einmal aus, stattdessen werden still und leise neue Allianzen geschmiedet. Alle Charaktere tasten sich ein paar Schritte weiter in die Dunkelheit vor. Doch zunächst erleben wir, wie die Hauptfigur in rascher Folge an Boden verliert. Walt gibt sich der Lächerlichkeit preis. Seine Pläne hatten auch in der Vergangenheit Schwachstellen, doch über Umwege gelangte Walt stets zum gewünschten Ziel. Nun wirkt er vollkommen überfordert. Die Spuren des Einbruchs lassen sich nicht beseitigen, also muss er eine Ausrede für das Benzin auf dem Teppichboden erfinden. Die Vorstellung eines defekten Zapfhahns an der Tankstelle ist allerdings so absurd, dass nicht einmal Junior darauf hereinfällt.

Skyler sieht sich in ihrer größten Befürchtung bestätigt. Sie wusste, dass die Auseinandersetzungen ihres Mannes nicht vor ihrer Haustüre enden würden. Walt hat die Kontrolle verloren und kann nicht mehr für die Sicherheit seiner Familie garantieren. Er schafft es nicht einmal, sich unbeobachtet mit Saul zu treffen. Als er Skyler einreden möchte, dass Jesse keine Bedrohung darstellt, ist er mit seiner Überzeugungskraft am Ende. »So he has never hurt anybody?« In Walts Antwort spiegelt sich die plötzliche Erkenntnis wieder, dass er die Gefahr womöglich zu lange unterschätzt hat. Der Erfolg seines Drohvideos hat ihm einen Höhenflug verschafft. Nun landet er auf dem harten Boden der Realität und stellt fest, dass er den Glauben an sich selbst verloren hat.

Der Pool ist zum Ertrinken groß und schimmert in bedrohlichem Meth-Blau. Ein künstlicher Wasserfall stürzt unaufhaltsam in die Tiefe. Walt kann seinem Schicksal nicht entkommen: Entweder, er wird in der Hitze des Gefechts von einer Kugel niedergestreckt oder der Krebs tötet ihn langsam und qualvoll. Junior ist sich dem nahenden Tod stärker bewusst als sein Vater. Die nächtliche Unterhaltung wirkt wie ein endgültiger Abschied und macht deutlich, dass die Zeiten der heilen Familie vorbei sind. Walt hat zwei Söhne am gleichen Tag verloren. Sein Weltbild bekommt Risse. Er kann sich nicht wie gewöhnlich in die Offensive stürzen, denn der einzige Schuldige ist er selbst. So verzweifelt wie in dieser Nacht haben wir Walt schon lange nicht mehr gesehen.

Die Verrohung der Unschuldigen

Auch Skyler verliert langsam ihre Perspektive. Die meisten ihrer Prinzipien hat sie schon lange aufgegeben, nun verabschiedet sie sich auch vom letzten Funken Moralität. Walt hat ihr einst klargemacht, dass er nicht vor dem Töten zurückschreckt. Nun ist sie es, die ihn dazu anstiftet. »We’ve come this far. For us. What’s one more?« Es überrascht, mit welcher Entschlossenheit sie sich hinter Walt stellt. Sie wandelt Seite an Seite mit ihm auf einem Pfad, der von Leichen gesäumt wird. Walts Rechtfertigung, wonach der Zweck der Familie alle Mittel heiligt, hat sie voll und ganz verinnerlicht. Jetzt, wo Walt zögert, ist sie bereit, einen Schritt weiter zu gehen.

Jesse ist wieder einmal high. Crystal Meth ist die Droge seiner Wahl, um sich Mut zu machen. Er weiß nicht genau, woran er seine angestaute Wut auslassen soll. Seine Absicht ist jedoch eindeutig, der Bruch mit seinem ehemaligen Partner irreparabel. »He can’t keep getting away with this.« Der Plan, das Haus der Whites abzubrennen, ist eine entsetzlich schlechte Idee. Die Tat würde Walt nicht sonderlich hart treffen, aber umso gefährlicher für ihn selbst werden. Ihm fehlt die kühle Logik, die den großen Heisenberg so gefährlich werden ließ. Hier kommt Hank ins Spiel, der in der Lage sein könnte, Jesses Wunsch nach Vergeltung zu kanalisieren.

Eine ruhige Episode wie diese lässt viel Spielraum für charakterliche Entwicklung. Mit Marie erfährt eine Figur neue Aufmerksamkeit, die in letzter Zeit eher an den Rand gedrängt wurde. Das Gespräch mit ihrem Psychologen zeigt, wie schlagartig die Wahrheit über Walt ihr Leben auf den Kopf gestellt hat. Letzte Woche war Marie noch über die Parkordnung ihres Arbeitgebers aufgebracht, nun sucht sie nach einem Gift für ihren Schwager, das keine Spuren hinterlässt. Ohne es zu wissen, kommt sie damit Walts Vorgehensweise sehr nahe. Hank glaubt noch daran, Heisenberg mit den Mitten des Gesetzes zur Strecke bringen zu können. Marie dagegen trachtet nach einer anderen Art von Rache. Den Tod hat sie Walt bereits von Angesicht zu Angesicht gewünscht.

Falle oder Hinterhalt

Gomie ist in das Geheimnis eingeweiht. Lange Erklärungen sind nicht nötig, Hank braucht schlichtweg Verstärkung. Das Geständnis, das die beiden Jesse entlocken, besitzt geringen juristischen Wert. Das Video ist vielmehr Hanks Reaktion auf Walts Drohung. Er muss die Wahrheit festhalten, um nicht an sich selbst zu zweifeln. Auch Hanks nächster Schritt ergibt auf den ersten Blick wenig Sinn. Das Aufeinandertreffen von Walt und Jesse birgt die Gefahr, dass die DEA ihren einzigen Zeugen verliert. Doch Hank ist bereit, Jesse vor laufender Kamera zu opfern, wenn dadurch sein Schwager gefasst werden kann. Eine derart angespannte Beziehung kann nicht zum Erfolg führen.

Zunächst hat es Jesse geschafft, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Er schätzt das Risiko eines Treffens mit Walt als zu hoch ein und ändert in letzter Minute seinen Plan. »Next time, I’m gonna get you where you really live.« Keine Frage: Damit kann nur der Geldberg gemeint sein, der irgendwo unter dem roten Wüstensand schlummert. Doch während Jesse eine Falle vorbereitet, die Walt hinter Gitter bringen soll, arbeitet Walt an einem Hinterhalt, der Jesse das Leben kosten könnte. Es scheint zu diesem Zeitpunkt unrealistisch, dass das Finale geradewegs auf einen Showdown zwischen Jesse und Walt zulaufen wird. Dafür ist ihre gemeinsame Geschichte zu komplex. Und dafür enthält die Geschichte zu viele lose Enden, die noch eine Rolle spielen werden.

Florian Lehmuth
30. September 2013
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