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Chapel Perilous: Mentale Abgründe

Chapel Perilous

Realität, was ist das eigentlich? Die Welt da draußen, könnte man vielleicht sagen, alles Konkrete, Materielle, Anfassbare. Alles, was sich über unsere Sinne wahrnehmen lässt, und zwar nicht nur durch eine einzige Person, sondern von vielen Menschen auf gleiche Weise. Hier beginnt allerdings schon das Problem: Wenn Realität erst in unserem Kopf produziert wird, wie können wir dann sichergehen, dass außerhalb unseres persönlichen Bewusstseins überhaupt etwas existiert? Und was unterscheidet Bilder, Töne und andere Sinneseindrücke von all den Gedanken, die keinen direkten physischen Ursprung zu haben scheinen, die vermeintlich nur Teil unserer Fantasie, aber ebenso unwirklich wie ungreifbar sind?

Der Kosmos in unserem Kopf trennt nun einmal nicht zwischen der Stimme, die sich als Schallwelle durch den Raum bewegt, und der inneren Stimme, die für ein wenig Ordnung im mentalen Chaos sorgt. Die furchteinflößende Bestie ist genauso real wie die Angst, die sie in uns hervorruft, und die Albträume, mit denen sie uns im Schlaf heimsucht. Wenn Wirklichkeit aber auf der anderen Seite der Stirn aufhört oder anders ausgedrückt die Welt nur eine begehbare Version unseres Bewusstseins bildet, dann ist diese Wirklichkeit folglich auch unser Käfig, aus dem wir niemals ausbrechen können. Jeder Versuch, zu einer neuen Wahrnehmung oder einem genuinen Gedanken zu gelangen, muss darin enden, dass wir uns nur tiefer in den Wirren des eigenen Geistes verheddern.

Chapel Perilous heißt ein Kurzfilm, der sich auf wunderbar spielerische Weise solch metaphysischen Problemen nähert. »Modern science has little to no understanding of over 97 percent of our DNA,« erklärt ein mysteriöser Prediger in Marineuniform, und wiederum ist es wahrscheinlich, dass mit DNA nicht mehr gemeint ist als irgendeine unscharfe Idee, die sich ganz hinten in unserem Kopf versteckt hat. Wenn also diese 97 Prozent Geistespotenzial plötzlich entfesselt werden, öffnet sich nur eine weitere Pforte in den Abgrund des eigenen Bewusstseins.

Der Bezug zu Drogen wird schon am Anfang des 13-Minüters genommen. Die Stimmung eines Trips richtet sich nach der persönlichen Gefühlslage, sagt man; die Bilder werden aus dem Arsenal unserer Erinnerungen gespeist. Folglich ist es auch Dennis, der für seine spontane, unbeschwerte Art von der Horizonterweiterung profitiert. Levi hingegen, melancholisch, unsicher, reserviert, ist dazu gezwungen, sich intensiver mit seinen Dämonen auseinanderzusetzen. Die Episode endet so unvermittelt wie sie begonnen hat, nicht konsequenzlos, aber mit einer Moral, die auf den ersten Blick sehr düster wirkt. Den Grenzen des eigenen Geistes kann man nicht entfliehen. Aber muss man das überhaupt? Realität ist, was man daraus macht.

Chapel Perious auf Vimeo

Florian Lehmuth
23. Januar 2014
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