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Serienwahn: The Newsroom

© HBO

Wir befinden uns im Jahr 2012 und es gibt keine Geschichte mehr, die noch nicht erzählt worden ist. Die klassischen Topoi handeln von Liebe und Verrat, von Neid und Missgunst, von Aufstieg und Fall. Hollywood bevorzugt ein sehr konservatives Gesellschaftsbild, indem wohlhabende weiße Männer weit überproportional bevorzugt werden. Wenn HBO also eine neue Serie an den Start bringt, dürfen wir nicht davon ausgehen, dass die kommerziell bewährten Methoden des Geschichtenerzählens plötzlich verworfen werden. Wenn diese Serie allerdings aus der Feder von Aaron Sorkin stammt, der für sein Polit-Drama The West Wing vielfach ausgezeichnet und für The Social Network gar mit dem Oscar gekrönt wurde, dann ist zumindest anzunehmen, dass sich das Storytelling auf höchstem Niveau bewegen wird.

Will McAvoy ist erfolgreicher Nachrichtensprecher, der nicht müde wird, sich selbst als Republikaner zu bezeichnen. Allerdings sieht er sich als Konservativen der alten Liga, der die Idiotie der Tea-Party-Bewegung aufs Schärfste kritisiert. Bei einer Podiumsdiskussion vor einem Saal voller Studenten wird er gefragt, was Amerika denn aus seiner Sicht zum besten Land der Welt mache. Es sei nicht das beste Land der Welt, lautet seine Antwort, und der Eklat ist perfekt. In den Augen der Öffentlichkeit hat er sich gerade mehr oder weniger einem terroristischen Akt schuldig gemacht. Sorkin gelingt es schon mit seiner Eröffnungszene, die Spreu vom Weizen zu trennen und den intelligenten Teil des Publikums an sich zu binden. Im gleichen Zug muss er jedoch auch seine Hauptfigur in den Urlaub schicken, denn nach seinem skandalösen Auftritt verschwindet Will erst einmal für zwei Wochen von der Bildfläche.

Als McAvoy zu seinem Sender zurückkehrt, ist der Großteil seines Teams verschwunden. Die ehemaligen Mitarbeiter sind zusammen mit dem Produzenten fortgezogen, um gemeinsam eine neue Sendung auf die Beine zu stellen. Die vakante Stelle des Executive producers wird mit einer alten Bekannten besetzt, die Will als letzten Menschen der Welt wiedersehen möchte: MacKenzie ist seine Ex-Freundin, die Beziehung des ehemaligen Traumpaars hat jedoch aus bislang unbekannten Gründen ein tragisches Ende gefunden und ist nun beständige Quelle für Sticheleien zwischen den beiden. MacKenzie hat aus ihrem letzten Job als Kriegsreporterin eine große Portion Idealismus mitgebracht und möchte dem schwächelnden Format News Night mit einer Qualitätsoffensive zu neuen Höhen verhelfen. Die Verhandlungen über die Neugestaltung der Sendung ist noch nicht vorrüber, als über den Ticker eine unscheinbare Nachricht eintrifft: Im Golf von Mexiko ist gerade eine Ölbohrplattform namens Deepwater Horizon explodiert. Es ist der 20. April 2010 und den USA steht die größte Ölpest der Geschichte bevor.

Um The Newsroom richtig verstehen zu können, muss man sich wahrscheinlich ein wenig in der amerikanischen Nachrichtenlandschaft auskennen. In den 1990er-Jahren etablierte sich CNN durch seine Berichterstattung über den Zweiten Golfkrieg international als seriöses Nachrichtenmedium. Gemeinsam mit den später gegründeten MSNBC und Fox News, ebenfalls reine Nachrichtensender, gehört CNN heute zu den großen drei unter den Cable news networks. Murdochs Fox News erzielte mit seiner einseitigen, überspitzten Berichterstattung, die sich an das ganz rechte politische Spektrum richtet, von Anfang an große Erfolge. Die Konkurrenz sah sich gezwungen nachzuziehen, verschrieb sich fortan ganz dem liberalen Lager. In Europa mag einem das, was von Fox News als Nachrichten bezeichnet wird, wie die reinste Satire vorkommen (an dieser Stelle kann ich nur die Dokumentation Outfoxed empfehlen), doch in den USA stößt der Sender auf so großen Anklang, dass er 2011 ein größeres Publikum erreichte als seine wichtigsten Konkurrenten zusammengenommen. In dieser Umgebung ist es also schon eine Provokation, einfach nur handwerklich soliden, unvoreingenommenen Journalismus zu betreiben.

Genau das strebt das News-Night-Team an und liefert dabei ziemlich gute Arbeit ab. Sorkins Idee, die Handlung an bedeutenden Momenten der letzten beiden Jahre festzumachen, ist brillant. Auf diese Weise lässt er eine einfache Nachrichtensendung zu einer Geschichtsstunde über die jüngste Vergangenheit werden. Die Dialoge seiner Figuren sind messerscharf und werden nicht selten in atemberaubendem Tempo vorgetragen. Auch an Komik fehlt es nicht. Mit Jeff Daniels und Emily Mortimer in den Hauptrollen und ausgesuchten Nebendarstellern wie Dev Patel und Sam Waterston hat er eine wirklich passende Besetzung gefunden.

Das Problem ist, dass die Charaktere sich selbst und ihre Aufgabe so unglaublich ernst nehmen. Nicht selten bekommt man das Gefühl, man würde ihnen gerade beim Weltretten zusehen anstatt in der alltäglichen Redaktionssitzung einer gewöhnlichen Nachrichtensendung. Auch das wäre nicht so schlimm, würde die Handlung nicht so tief in das übliche Geflecht aus Beziehungsdramen, Machtspielen und Verschwörungen eingebettet, dass sie vor Kitsch und Pathos überläuft. Die Orientierung an der Nüchternheit eines Tagesschau-Blogs hätte dem Autor bestimmt gut getan. Doch darunter hätten dann sicher die Quoten gelitten. So bietet The Newsroom also das übliche Mittelmaß: Nicht sonderlich niveauvoll, aber dafür völlig harmlos.

Florian Lehmuth
28. September 2012
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