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Zeig mal!

Das digitale Zeitalter hat schon einige außerordentlich nützliche Erfindungen mit sich gebracht. Das merkt man beispielsweise, wenn man in mühevoller Handarbeit stundenlang Negative scannen und Abzüge mit Photoshop restaurieren muss. Heute sind Fotos schon ein paar Sekunden, nachdem sie als elektromagnetische Wellen auf einen Sensor getroffen sind, irgendwo online verfügbar und für alle Welt zugänglich. Möchte man dann doch einmal den Charme vergangener analoger Tage einfangen, kann man ganz einfach auf so nützliche Helferlein wie Instagram oder Hipstamatic zurückgreifen.

Trotzdem führt ein nicht zu übersehender Trend wieder zurück in die Zeit, als man noch mit aller Sorgfalt Filmrollen in den Rücken antiker Kameraboliden pfriemeln musste. Denn zwei große Vorteile hat die Technik der Vergangenheit ganz sicher: Unberechenbarkeit und Entschleunigung. Man weiß nie so genau, ob der Film nicht doch schon abgelaufen war, ob er irgendwann versehentlich dem Licht ausgesetzt wurde, ob man beim Vergrößern richtig scharfgestellt hat oder die Abzüge nun zu lange oder zu kurz in irgendeiner Wanne der heimischen Dunkelkammer gelegen haben. Das mag oftmals zu unerwarteten, interessanten Ergebnissen führen, kann auf Dauer aber auch ziemlich anstrengend sein.

Grundsätzlich positiv zu bewerten ist hingegen der Aspekt der Entschleunigung: Man produziert automatisch deutlich weniger Material, wenn man mit der analogen Kamera unterwegs ist. Immerhin kostet jedes belichtete Negativ bares Geld. Dafür sind die entstandenen Fotos in der Regel umso durchdachter, geplanter, besser. Den mit Abstand wichtigsten Vorzug allerdings stellt der fehlende Bildschirm dar. Wie schön sind die Tage der Vorfreude, in denen man auf die Resultate aus dem Labor wartet und noch keine große Vorstellung davon hat, wie viele brauchbare Bilder wirklich auf dem Film sind. Vor allem aber kann man in aller Ruhe fotografieren, ohne dass die Porträtierten alle fünf Sekunden auf einen zurennen, um zu kontrollieren, wie sie denn aussehen.

Das obligatorische “Zeig mal!” verdirbt regelmäßig nicht nur die Stimmung, sondern auch vielversprechende Ergebnisse. Wir können heutzutage einfach nicht mehr stillhalten. Ich nehme mich da selbst nicht aus, nur zu oft habe ich mich schon dabei ertappt, es gar nicht erwarten zu können, mich selbst auf dem winzigen Display probeweise zu begutachten. Immerhin weiß man ja nie, ob die Bilder nicht schon eine Stunde später auf Facebook herumschwirren.

Aber einen echten Gefallen tut sich mit diesem hektischen Verhalten niemand. Ich sehe es grundsätzlich als Aufgabe des Fotografen, dafür zu sorgen, dass die abgelichteten Personen natürlich und gut aussehen. Nur, wie soll der sich konzentrieren können, wenn er ständig von den Modellen überrannt wird?

Letztes Jahr machte ich ein paar Partybilder in einem stockdunklen Kellerloch. Natürlich hatte die Kamera große Probleme mit dem Scharfstellen, also feuerte der Blitz schon vor dem Auslösen einige Male, um das Fokussieren zu erleichtern. Tatsächlich glaubten manche Menschen, dass ich jetzt in dieser Zeit zwanzig Fotos geschossen hätte, und stürmten auf das Display zu. Auf dem selbstverständlich noch kein einziges Bild zu sehen war.

Bleiben wir also in Zukunft also einfach alle ganz ruhig. Der Fotograf wird euch die Bilder zeigen, wenn er fertig ist. Seid solange ganz natürlich und entspannt euch. Dann werdet ihr auch gut aussehen.

Florian Lehmuth
7. August 2011
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