Proudly made on earth

Der Tod des Musikkaufs

Der Kauf meiner letzten CD in traditioneller physischer Form dürfte mittlerweile sicherlich ein Jahr, vermutlich sogar länger, zurückliegen. Bei digitalem Audiomaterial wird es kaum anders aussehen, ich erinnere mich noch dunkel daran, dass ich vor einigen Monaten eine EP der Cold War Kids bei iTunes erwarb. Ich habe es schlichtweg gar nicht mehr nötig (hört sich überheblich an, soll aber eine ganz objektive Feststellung sein), Geld für einzelne Musikstücke auszugeben. Verspüre ich das Bedürfnis, meine Ohren mit Musik zu beschallen, laufen mit Sicherheit der PC oder das Netbook sowieso schon und fungieren daher ganz selbstverständlich als Abspielstation. Die CD wiegt als haptisches Erlebnis leider nicht ihre Nachteile beim Nutzungskomfort auf. Wenn ich etwas in den Händen halten möchte, kann ich auch gleich zur Schallplatte greifen – die bringt immerhin noch ihren unnachahmlichen Charme mit.

Bin ich wach, läuft also der Computer (und manchmal auch, wenn ich schlafe). Läuft der Computer, läuft auch Musik. Geld muss ich dafür trotzdem nicht ausgeben – immerhin gibt es so fantastische Dienste wie 3voor12 oder NPR für ganz neue Alben, simfy für neues wie altes Material der bekannteren Künstler und Labels, Grooveshark für beinahe alles (wenn auch miserabel katalogisiert) und schließlich die Hype Machine für loses Stückgut. Dass ich Künstler, die ich mag und schätze, nicht finanziell unterstützen möchte, stimmt dabei nicht. Vielmehr sehe ich es nicht ein, mit meinem Ersparten zum Großteil ein überholtes Geschäftsmodell der Contentindustrie zu unterstützen.

Pauschalangebote oder Kultur-Flatrates, wie von Spotify oder simfy, liefern in meinen Augen die bessere Alternative, selbst wenn die Gelder in Deutschland mit der GEMA von einem völlig fehlgelenkten Institut verwaltet werden. Wenn simfy sein Angebot im Indie-Bereich noch weiter ausbaut und sich der offizielle Start von Spotify in unserem Lande weiterhin um unbestimmte Zeit verschiebt, werde ich mir vermutlich auch einen Premium-Account bei dem Online-Dienst zulegen. Aber warum gibt es so wenig Konkurrenz, wenn das Prinzip einer pauschalen Abgabe für grenzenlosen doch an und für sich so sinnvoll ist?

Der mobile Zugang wird entscheiden

Um das Prinzip für den Massenmarkt zu etablieren, wird entscheidend sein, wie einfach die mobile Nutzung einer Flatrate ermöglicht wird. Bisher ist diese mit Apps für iOS und Android – um erneut die Vorreiter Spotify und simfy anzusprechen – auf Smartphones reibungslos verwendbar, auch der Download für die Offline-Verwendung bestimmter Titel wird angeboten. Doch das vermutlich entscheidende Kriterium ist, die Flatrate auch auf konventionellen MP3-Playern ohne WLAN- oder Mobilfunkverbindung zum Laufen zu bringen. Noch vor ein paar Jahren verkauften sich die, allen voran natürlich die iPods, millionenfach. Mit den iPods kommt wiederum Apple ins Spiel – seit Jahren der Vorreiter schlecht hin, wenn es um Innovationen geht, die sich auch fest im Bewusstsein der breiten Masse verankern.

Apple sollte schlichtweg seinen kompletten iTunes-Katalog für einen monatlichen Grundbetrag unbegrenzt verfügbar machen. Die Beziehungen zur Musikindustrie sind blendend, ein entsprechendes Abkommen wäre wahrscheinlich nicht viel mehr als Formsache. Man stelle sich 275 Millionen iPods vor, die nach Belieben mit praktisch allem Audiomaterial befüllt werden können, das derzeit existiert. Die Auswirkungen wären gigantisch. Vor allem, was am entscheidensten ist, würden auf einen Schlag große Bevölkerungsteile von dem Modell einer Kulturflatrate – wenn anfangs wohl auch nur für Musik – überzeugt werden. Konkurrenzunternehmen müssten zweifelsfrei mitziehen, es entstünde ein Kampf um komfortabelste Nutzung, beste Audioqualität, ordentlichste Sortierung – und schließlich festigte sich ein akzeptabler Preis für das Angebot, der von den meisten Menschen bezahlbar wäre.

Konkurrenz belebt also wieder einmal das Geschäft – in diesem Fall aber nur, wenn Apple erst einmal deutlich auf dieses aufmerksam macht. Die letzte Frage, die man stellen muss, ist die der digitalen Rechteverwaltung, das Softwareproblem. DRM ist zum Glück endgültig tot, es sollte auf keinen Fall im Zuge der Flatrates wieder auferstehen. Viel besser stelle ich mir ein Betriebssystem für alle Arten digitaler Abspielgeräte vor, das die Musiknutzung erst ermöglicht, wenn monatlich über das Internet – MP3-Player müssten dazu kurz an den USB-Port gehängt werden – geprüft wird, ob der Kunde seinen Beitrag noch zahlt.

Das ganze wurde bestimmt alles schon einmal gesagt, ich kam nur dazu, das Thema wieder aufzugreifen, als ich meinen alten MP3-Player in der Hand hielt – ein Sony Walkman – und mich fragte, warum ich ihn schon seit Ewigkeiten nicht mehr benutzt habe.

Florian Lehmuth
19. November 2010
Kategorien: ,
Schlagworte:

2 Kommentare

Was sagst du?