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Need for Speed: World

Im Prinzip bin ich mit Need for Speed aufgewachsen. Für die Nintendo-Gameboy-Geschichten bin ich vielleicht etwas zu jung oder konnte mich einfach nie so wirklich dafür begeistern. Aber ich bekam ziemlich früh das erste eigene Laptop und installierte mir darauf Need for Speed II. Die Ära der 3D-Spiele war gerade erst angebrochen, grafische Maßstäbe konnten praktisch nur überstiegen werden. Die meisten Hersteller oder besser gesagt Verlage, die auch noch schnell auf den ganz offensichtlich so gewinnbringenden Zug des digitalen Unterhaltungsmarktes aufspringen wollten, hatten damals sowieso eben erst Macromedias Flash für sich entdeckt und ließen eine Reihe unfassbar langweiliger Point-and-Click-Adventures produzieren. Unter den wenigen zukunftsträchtigen Entwicklern befand sich auch Electronic Arts, die nicht nur bei mir den Grundstein für eine Rennspiel-Faszination setzten. LAN-Partys waren noch nicht erfunden oder zumindest noch nicht etabliert, aber NFS II besaß einen wunderbaren Splitscreen-Modus, der uns mit epischen Battles stundenlang beschäftigen konnte. Außerdem cheateten wir uns alles herbei, was nicht niet- und nagelfest war. Ich erinnere mich noch lebhaft daran, ein ganzes Rennen statt mit einem Auto mit einem Holzblock-Model gefahren zu sein.

Die Jahre zogen vorbei und nicht nur die allgemeine Optik der Videospiele veränderte sich in beinahe erschreckendem Ausmaß. Ein paar findige Programmierer schienen die Gesetze der Physik für sich entdeckt zu haben und pressten die anfänglich fast uneingeschränkte Raserei in die Grenzen wirklichkeitsgetreuer Simulation. Begriffe wie “Fotorealismus” und “Schadensmodell” fanden ihren Weg in unser Vokabular und sorgten dafür, dass die Inhalte unserer Bildschirme, die noch zur Beleuchtung unseres kompletten, zwei Quadratmeter großen Kellerlochs dienten, immer mehr der echten Welt da draußen entsprachen. Ich spielte das alte Hot Pursuit durch und hatte Spaß mit und als Polizei. Ich spielte Underground 2 durch und fand es prima. Ich spielte Most Wanted durch und halte es im Gesamtpaket nach wie vor für unübertroffen. Ich spielte ProStreet durch und langweilte mich, weil es zu realistisch war. Trotzdem unterhielt ich mich lange Zeit bestens und fühlte mich dennoch irgendwie … einsam. Denn eines fehlte: Eine Online-Community mit einem großen Haufen Leute, gegen die man antreten konnte. Nadeo hatte mit TrackMania Nations in ähnlicher Richtung vorgelegt, noch dazu kostenlos. Doch mit der Zeit wird Otto-Normal-Gamer der ständig gleichen Strecken, dem einen Automodell und den überfüllten Servern einfach überdrüssig.

Dann kam Need For Speed: World. Es ist kostenlos. Mehr als drei Millionen Menschen haben sich bereits registriert und sorgen nun fleißig für Leben in der gigantischen virtuellen Welt, die zum Großteil aus Karten von Most Wanted und Carbon erbaut wurde. Da es sich um ein “Massen-Mehrspieler-Online-Gemeinschaftsspiel” handelt, ist eine ständige Internetverbindung die Voraussetzung. Diese muss allerdings nicht besonders schnell sein, bei mir liegt die Auslastung meistens um die 60 KByte/s. Dennoch läuft das Spiel selbst mit Texturen, Maps etc. natürlich hauptsächlich auf der Client-Seite, weshalb vor dem Start erst einmal ein gutes Gigabyte an Daten heruntergeladen werden muss. Für die Nutzung ist des Weiteren ein EA-Konto von Nöten, das aber recht schnell eingerichtet werden kann und auch nicht mit Werbe-Mails nervt. Jetzt kann es wirklich losgehen. T-Mobile, deren Werbung auch auf einigen Flächen direkt im Spiel platziert ist, spendiert jedem Fahrer großzügigerweise einen gebrandeten Mazdaspeed 3, sodass man ohne finanzielle Verluste gleich beginnen kann.

World ist in 50 Levels unterteilt. Um auf der Leiter Stück für Stück höherzuklettern, erhält man für jedes Rennen und auch jede Polizeiverfolgung Prestige-Punkte. Ein höheres Level bringt dann neue Rennstrecken, Autos und Fähigkeitspunkte mit sich. Bisher habe ich nur Rundkurs- und Sprint-Wettbewerbe freigeschaltet, offenbar sollen aber auch noch Drag- und Drift-Events folgen. Ein Rennen lässt sich dann im Einzelspieler-, Multiplayer- oder Privat-Modus abhalten, wobei man in letzterem gegen ausgewählte Freunde antreten kann. Überhaupt ist die Community von großer Bedeutung. In der “Freien Fahrt” werden andere Fahrer direkt auf der Straße angezeigt, man kann sie mit einem Rechtsklick zu den eigenen Freunden aufnehmen oder gleich gegen sie antreten.

Neben dem Prestige spielt selbstverständlich auch Geld eine Rolle. Dafür gibt es in NFS:W zwei Währungen: Die erste ist ganz einfach mit “Geld” betitelt, von dem man nach jedem Renn-Event und nach jeder erfolgreichen Polizei-Verfolgung (wird man geschnappt, wird abgezogen) mehr oder weniger erhält. “SpeedBoost” hingegen korreliert mit unserem guten alten Euro, es muss nämlich im echten Leben erworben werden. Es ist nur verständlich, dass EA mit World Einkünfte erzielen muss. Schließlich ist auch ein so immaterielles Gut wie ein Videospiel nicht kostenlos, Entwicklung, Marketing und Server-Wartung reißen ein großes Loch ins Budget. So kann man also teure Wagen und andere Gimmicks ganz ohne Spielaufwand käuflich erwerben, ein Audi R8 wird derzeit beispielsweise für rund 15 € gehandelt. Kritisierenswerte Zustände? Für mich eher nicht, positiv fällt nämlich auf, dass man alles, was sich durch SpeedBoost kaufen lässt, mit etwas mehr Aufwand auch über das normale “Geld” bekommt.

Die Wagenpalette Worlds entspricht im Großen und ganzen dem bisher Bekannten. Die besten Wagen werden selbstverständlich erst in den höheren Levels freigeschaltet und sind dementsprechend teuer, mit dem erwähnten SpeedBoost kann man sie aber schon von Anfang an seinem Fuhrpark hinzufügen und erhält darüber hinaus oftmals auch noch limitierte Sondereditionen. Individualisierung und Tuning gehören seit jeher fest ins Angebot Need for Speeds und fehlen natürlich auch diesmal nicht. Das gute alte Nitro gibt es als Teil der sogenannten “Power-Ups”, mit denen man kurzzeitig die Leistung des eigenen Autos verbessern oder die seiner Gegner verringern kann. Power-Ups werden neben Prestige- und Geld-Boni oder Tuning-Teilen nach Rennen und Verfolgungen verlost.

Das System mag wie bei jedem neuen Spiel erst einmal recht komplex klingen, im Grunde ist es aber leicht durchdringbar und bietet nebenher noch Abwechslung. Weniger unterhaltsam sind hingegen die vielfältigen Bugs, die nach Belieben bei jedem neuen Patch hinzukommen und verschwinden. Plötzlich erscheinende und sich dann wieder in Luft auflösende Geisterautos (auch die Polizei wird nicht verschont) gehören zu den geringfügigeren Problemen, schlimmer sind da schon plötzliche Programmabstürze. Reißt beispielsweise während des Spiels die Internetverbindung ab, verabschiedet sich auch World nach ein paar Sekunden. Das könnte man wirklich besser lösen. Auch sind die Server von Electronic Arts nicht gerade die schnellsten, was sich gerade dann bemerkbar macht, wenn man wieder einmal ein größeres Update herunterladen muss.

Trotz allem sollte man Need for Speed: World durchaus eine Chance geben. Natürlich mag es hin und wieder ärgerliche Probleme geben, am wichtigsten ist jedoch, dass das Spiel beständig weiterentwickelt, vergrößtert und verbessert wird. So kann man auch hoffen, dass mit der Zeit die letzten Bugs verschwinden. Dafür kommen tolle Neuerungen wie der Nacht-Modus hinzu, der die ohnehin schon sehr ansprechende Grafik bereichert, oder die Spielwelt wird zu besonderen Anlässen wie Halloween oder Weihnachten festlich dekoriert. So darf man hoffen, dass sich auch zukünftig noch viele neue Fahrer anmelden und den Unterhaltungswert weiter steigern. Mit Sicherheit kann ich nämlich behaupten, dass man sich mit World sehr lange beschäftigen kann. Gerade, wenn man für SpeedBoost nichts ausgeben möchte, zählt vor allem eines: Geduld.

Florian Lehmuth
29. Januar 2011
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